90 Städtisches Leben 3.14 Stadtentwicklung Einige der frühen Städte im mittelalterlichen Reich bauten bereits auf ihrer antik-römischen Tradition auf. Vor allem Bischofsstädte blieben auch nach der Auflösung Westroms religiöse Zentren und verloren so seltener an Bedeutung. Diese Städte lagen oft an wichtigen Handelsrouten, die ohne Unterbrechung weiter genutzt wurden. Durch ihre geographische Lage entstanden in den Städten auch Märkte, für deren Abhaltung die Stadtherren besondere Privilegien der Herrscher bekamen. Diese Marktrechte waren die Basis für die späteren Stadtrechte. Diese wurden vom Landesherrn individuell für jede Stadt vergeben, um sie Bedürfnissen des jeweiligen Ortes bzw. der jeweiligen Bevölkerung anzupassen. Zur Verwaltung wurde in den Städten ein Stadtrat eingerichtet. Dieser war auch für Bildung, Hygiene, Armenfürsorge und Rechtsprechung zuständig. Bedeutung Neben dem wirtschaftlichen erkannten die weltlichen Herrscher bald auch den militärischen Nutzen von Städten. Als befestigte „Burgen“ – die Bezeichnung „Bürger“ kommt daher – mit Stadtmauern eigneten sich Städte als Ausgangspunkt für Kriege bzw. als sicherer Aufenthaltsort bei Angriffen. Dies führte ab dem 12. Jh. zu vielen Neugründungen im Reich. Einen Sonderstatus unter den deutschen Städten nahmen die sogenannten „Freien Städte“ ein. Sie zeichneten sich durch besondere Privilegien, weitgehende Autonomie und Selbstverwaltung aus, da sie keinen Stadtherren hatten und direkt dem Kaiser unterstanden. Alle gleich? Auch wenn sich in den Städten einige neue Freiheiten und Möglichkeiten für die Menschen ergaben, so waren doch nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt gleich; auch hatten nicht alle das Bürgerrecht. Einige bestimmte Berufsgruppen, wie Henker, Wundärzte oder Prostituierte waren nicht voll in die städtische Gesellschaft integriert und lebten außerhalb der Stadtmauern. Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten lebten in den Städten auf kleinem Raum zusammen – Konflikte und Auseinandersetzungen blieben also nicht aus. So wehrten sich im Verlauf des Spätmittelalters, in Italien auch schon etwas früher, Handwerker und Kaufleute gegen die reiche Oberschicht (Patrizier) oder auch die geistlichen Stadtherren, da sie an der Stadtregierung teilhaben wollten. Frauen in der Stadt Auch wenn man nicht von einer völligen Gleichstellung von Männern und Frauen sprechen kann, so boten Städte den Bewohnerinnen etwa gleiche Rechte in Erbsachen oder im Geschäftsleben. In den Quellen haben sich viele Beweise für die Bedeutung der Frau in den Städten erhalten. Sie treten als Ehefrauen, aber auch als selbständige Geschäftsfrauen und Handwerkerinnen auf, die ebenso wie Männer Häuser besaßen und verkauften, sich als Förderinnen von Klöstern und Kirchen betätigten und Reisen unternahmen. Die Teilhabe an der Gestaltung des politischen Lebens (Stadtrat) sowie an höherer Bildung (Universitäten) blieb Frauen jedoch weiterhin verwehrt. 5 10 15 20 Städtische Tradition gab es in Europa bereits in römischer Zeit. Nach dem Ende der römischen Herrschaft verlief die Wiederbelebung städtischen Lebens im Mittelalter in den einzelnen Ländern Europas sehr unterschiedlich. 25 30 35 60 65 70 75 40 45 50 55 Mehr dazu … Der Podcast berichtet über das urbane Leben im Mittelalter. https://www.br.de/ radio/bayern2/sendungen/radiowissen/ stadt-urbanisierungmetropole-100. html?time=3.87595 M 1: Darstellung der Christine de Pizan. Buchmalerei ca. 1410–1414. MUSTER
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