64 Migrationen zwischen Antike und Mittelalter 3.1 Die Hunnen Bereits ab dem 3. Jahrhundert zogen germanische Stämme wegen der Verschlechterung des Klimas, Missernten und Hungersnöten nach Süden. Einige von ihnen schlossen einen Vertrag (foedus) mit den römischen Herrschern und lebten als Föderaten neben dem Römischen Reich. Durch die Nähe zum Römischen Imperium erhofften sie sich vermutlich eine Verbesserung ihrer Lebensumstände. Im 4. Jh. erreichten die Hunnen – ein Verband verschiedener Reitervölker aus Zentralasien – das Kaspische Meer und lösten die Abwanderung weiterer germanischer Gruppen aus. Den daraufhin über einen Zeitraum von ca. 200 Jahren laufenden Wanderungen hatte das politisch und militärisch geschwächte Weströmische Reich nichts entgegenzusetzen und zerbrach langsam. Der Hunnenkönig Attila (M 1) und sein Heer erreichten Mitte des 5. Jh. Mitteleuropa. Zu deren Abwehr schlossen sich Römer mit germanischen Heeresverbänden zusammen. Sie konnten das hunnische Heer und ihre Verbündeten 451 auf den „Katalaunischen Feldern“ nicht besiegen, erreichten aber durch ein militärisches Unentschieden den Rückzug Attilas. Nach dessen Tod (453) zogen sich die Hunnen aus Europa zurück. Westrom löst sich auf Der langsame Verfall des Römischen Reiches hatte aber nicht nur außenpolitische Gründe. Bürgerkriege, wirtschaftliche Probleme und politische Unsicherheit prägten die letzten Jahre des Weströmischen Reichs. Auf vormaligen Gebieten Westroms formten sich neue kleine Königreiche (regna). Die letzte dieser Gründungen durch die Langobarden in Italien gilt als klassischer Endpunkt der „Völkerwanderung“. Kontinuität und Wandel Die römische Kirche gilt als Erbin römischer Kultur. Sie blieb als Institution bestehen und kümmerte sich weiter um die Verwaltung ihres Grundbesitzes, der Bewahrung antiker Schriften und deren Sprachen. Trotzdem beklagten spätere Autoren, dass die Zahl gut gebildeter Personen sehr stark abnahm (s. 3.4). Da es keine zentrale Verwaltung mehr gab, konnten Bewohnerinnen und Bewohner in den Städten nicht mehr mit Lebensmitteln versorgt werden. Der „Roman way of life“ (Althistoriker Mischa Meier), der von Stadtkultur und der lateinischen Sprache geprägt war, wurde langsam ersetzt. Der Großteil der Bevölkerung zog aufs Land, um sich selbst zu versorgen. Es entstand eine ländlichagrarisch geprägte Gesellschaft. 5 10 15 20 25 30 Die letzte Phase des Weströmischen Reiches (s. 2.8) und die „Zeit der Völkerwanderung“ markieren den Übergang zwischen Antike und Mittelalter. Die aktuelle Forschung hinterfragt den Bruch zwischen Antike und dem „dunklen“ Mittelalter. M 2: Der Innsbrucker Historiker Roland Steinacher über den Germanenbegriff (2009): Anders als es unser heutiger Sprachgebrauch vermuten ließe, ist der Germanen- und Germanienbegriff schon in seinen Ursprüngen missverständlich, widersprüchlich und ideologisch aufgeladen. […] Caesar führte den Germanennamen in seiner Beschreibung des Gallischen Krieges ein und schuf damit in Rom eine neue politische Kategorie. Andere Autoren nach ihm […] griffen die Konzeption eines römischen Interessengebietes auf, östlich des Rheins und nördlich der Donau gelegen, dem sie eine gewisse Homogenität zuschrieben. Steinacher, Roland: 2000 Jahre Varusschlacht, Teil: Konflikt; (Hrsg. Organ) Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.), Stefan Burmeister, Übersetzer (Englisch): Ute Bühning ; David Baker-Price, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart, 2009, S. 78–82. D M 1: König Attila als „Strafe Gottes“ („Flagelum Dei“) in einem Relief an der Basilika Certosa di Pavia, 15. Jh. 35 40 45 50 55 60 Föderat, der mit Rom verbündeter germanischer Stamm Langobarden, die germanischer Volksstamm, der seit dem 2. Jh. nach Süden wanderte Homogenität, die Einheitlichkeit MUSTER
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