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314 Denk anders! China und der Erste Weltkrieg 7.13 Aufgrund der westeuropäischen Bündnispolitik und der Einbeziehung der großen Kolonialreiche wurde der eigentlich innereuropäische Konflikt schnell zu einem globalen Krieg. Darin spielten auch chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter für das Kriegsgeschehen und den Kriegsausgang eine bedeutende Rolle. Der Erste Weltkrieg in China Die Kriegsschauplätze erstreckten sich auch auf die kolonialen Besitzungen der Kriegsparteien. Im asiatisch-pazifischen Raum fand der Erste Weltkrieg auf See statt – die Kolonialmächte hatten eine starke Marine. Die Entente zielte darauf ab, die deutschen Kolonialbesitzungen im Pazifik und in China einzunehmen. Die chinesischen Arbeitskorps Je länger sich der Krieg in Europa hinzog, desto größer wurden die Verluste und die Not der Zivilbevölkerung. Das offiziell neutrale China wollte diesen Umstand nutzen, um sich als neue internationale Macht zu positionieren. Es beschloss deshalb – in Anbetracht des Arbeitskräftemangels, der in Europa herrschte – 1915 die Strategie „Yigong Daibing“, die vorsah, den EntenteMächten chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter anzubieten. China wollte damit eine Möglichkeit finden, sich mit den Entente-Mächten zu verbinden: Nichtmilitärisches Personal wurde bereitgestellt, um so die Kriegsmaschinerie zu erhalten. Chinas Angebot war für die Entente eine große Chance. Bereits 1916 begannen Frankreich und Großbritannien, chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter nach Frankreich zu bringen. Die insgesamt rund 140 000 chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter wurden eingesetzt, um Schützengräben zu graben, Panzer zu reparieren und Vorräte und Essenslieferungen an die Fronten zu transportieren. Sie spielten daher eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Schlachtfeldinfrastruktur. Am längsten blieben die Arbeiterinnen und Arbeiter in Frankreich (bis 1922), während jene unter britischer Aufsicht, die unter dem Namen Chinese Labour Corps bekannt waren, bereits 1920 heimkehrten. Sie wurden auch noch nach dem Krieg eingesetzt, um Landminen zu entschärfen, Leichen von Schlachtfeldern zu entfernen und Grabsteine für Kriegsfriedhöfe zu schnitzen. Rund 3 000 der chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter kamen in Europa ums Leben. Obwohl ihr Beitrag häufig unerwähnt bleibt, waren diese für die britische und französische Kriegsführung von zentraler Bedeutung. M 1: Der Journalist Thomas Latschan beschreibt 2014 die Erinnerung an die chinesischen Arbeiter: Die heute noch in Frankreich lebenden Chinesen halten die Erinnerung an ihre Vorfahren aufrecht. Einmal jährlich treffen sie sich, um der Arbeiter zu gedenken. In China selbst gerieten die Arbeiter jedoch schnell in Vergessenheit. Generell spielt der Erste Weltkrieg in der chinesischen Geschichte nur eine untergeordnete Rolle. […] „Bis heute hat die chinesische Regierung den Einsatz der Arbeiter in Frankreich nicht gewürdigt“, resümiert der Historiker Xu. „Auch in Europa sind die chinesischen Arbeiter nicht mehr als eine historische Randnotiz.“ So zeugen heute nur noch einige Friedhöfe in Nordfrankreich vom Schicksal dieser Menschen. Latschan, Thomas: Chinesische Arbeiter schuften hinter der Front. Deutsche Welle, Anstalt öffentlichen Rechts, Bonn 2014. https://www.dw.com/de/chinesische-arbeiter-schuften-hinter-der-front/a-17568188 (01.05.2021). D 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 MUSTER

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