Denkmal 5/6 + E-Book

306 „Heimatfronten“ 7.9 Der Erste Weltkrieg war ein totaler Krieg: Er betraf alle Menschen der kriegführenden Staaten; nicht nur die Soldaten an den Fronten, sondern auch die Männer, Frauen und Kinder, die im vermeintlich sicheren Hinterland lebten. Ihr Alltag wurde vom Krieg genauso geprägt. Auf diesen Umstand verweist die zeitgenössische Schöpfung des Propagandabegriffs „Heimatfront“. Arbeit Da laufend Männer eingezogen wurden, kam es mit Fortdauer des Kriegs in der Industrie und Landwirtschaft zu einem Arbeitskräftemangel. Jugendliche, Alte und Kriegsgefangene sollten diesen ausgleichen. Zudem wurden auch Frauen in Arbeitsbereichen eingesetzt, die bis dahin fest in Männerhand gewesen waren. Sie arbeiteten etwa als Kraftfahrerinnen, Schaffnerinnen und vor allem in der Rüstungsindustrie (M 2). Für die gleiche Arbeit erhielten sie weniger Lohn als Männer, da sie angeblich weniger leisteten. Hunger und Pandemie Die Gewalt erreichte auch die „Heimatfront“. Flugzeuge bombardierten zum ersten Mal in der Geschichte Städte Europas. Dort war aber der Hunger das drängendste Problem. Im Deutschen Reich und Österreich-Ungarn kam es bald nach Kriegsbeginn zu Engpässen. Die staatlichen Behörden konnten das Problem trotz Lebensmittelrationierungen nicht lösen. Hunderttausende fielen dem Hunger zum Opfer. 1918 brach zudem eine Influenza-Pandemie aus. Sie wurde „Spanische Grippe“ genannt, weil von dort zuerst über die Krankheit berichtet wurde. Durch den Krieg verbreitete sie sich rasch über den gesamten Globus. In drei Wellen forderte sie bis 1920 zwischen 20 und 50 Millionen Leben. Kriegsanleihen Der Krieg war teuer und wurde mit Steuergeldern finanziert. Mit der Zeichnung von Kriegsanleihen konnte die Bevölkerung dem Staat Geld leihen und den Krieg mitfinanzieren (M 1). Die Verbitterung über die schlechte Versorgungslage und das verlorene Geld war groß. Dennoch gab es auch sogenannte „Kriegsgewinnler“. Diese gelangten durch Produktion und Lieferung von Kriegsgütern zu großem Reichtum. Kriegsversehrte Mit Kriegsdauer kehrten auch die ersten Kriegsversehrten zurück. Männer ohne Gliedmaßen, ohne Gesichtspartien waren sichtbare Beweise für die Zerstörungswucht des Kriegs. Unsichtbar blieben die psychischen Verletzungen. Hunderttausende litten an posttraumatischen Belastungsstörungen. Ihnen wurde oft vorgeworfen, bloß zu simulieren, um einem neuen Fronteinsatz zu entgehen. Die „Kriegszitterer“ etwa hatten im Trommelfeuer nervliche Schocks erlitten, die sich durch ein Zittern des ganzen Körpers zeigten. Die Behandlungen mit Elektroschocks bedeuteten weitere Qualen. Die Kriegsversehrten hatten oft Schwierigkeiten, in ihre alten Leben zurückzufinden. Staatliche Fürsorge gab es nur bedingt. Dem Staat ging es darum, die Männer wieder „produktiv“, also kampf- oder (z. B. durch Prothesen) zumindest arbeitstauglich, zu machen (M 3). Kriegsende Im November 1918 kapitulierten die Mittelmächte vor der militärisch übermächtigen Entente. zehn Mio. Menschen waren tot, doppelt so viele psychisch und physisch versehrt. Die Habsburgermonarchie zerfiel (s. 7.11), das Deutsche Kaiserreich wurde eine Republik. Vor diesem Hintergrund begannen im Jänner 1919 die Friedensverhandlungen in Paris. M 1: Aufruf zur 7. österreichischen Kriegsanleihe. 5 10 15 20 25 30 35 65 70 40 45 50 55 60 MUSTER

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