296 Wie aber reagierten die indigenen Bevölkerungen Afrikas auf die Ankunft und die brutalen Unterwerfungen durch die Europäerinnen und Europäer? Sie verhielten sich unterschiedlich: Während sich manche anpassten und mit den neuen Herrschenden kollaborierten, resignierten andere. Wieder andere entschlossen sich zum bewaffneten Widerstand gegen die Fremdherrschaften. Die „guten“ Kolonialherren? Die Europäerinnen und Europäer versuchten, die eigene koloniale Expansion in Afrika und anderen Gegenden der Welt in ein möglichst positives Licht zu rücken: Der Kolonialpropaganda zufolge sollten so ausgerechnet die indigenen Bevölkerungen von der Unterwerfung profitieren, da sie nun christianisiert und zivilisiert werden würden. Während sie sich selbst als anständige Kolonialherren inszenierten, warfen Kolonialpropagandisten anderen Staaten die brutale Ausbeutung unterworfener Gebiete vor. Die Vorstellung, dass der jeweils eigene Kolonialismus etwas Gutes gewesen sei, prägt noch heute in vielen europäischen Staaten die Erinnerung an das Zeitalter des Imperialismus. Ausbeutung Die koloniale Realität war völlig anders: Die Rohstoffe der eroberten Gebiete warfen nur Gewinne ab, wenn sie mit modernen Mitteln erschlossen wurden. So wurden in den Kolonien Bergwerke, Plantagen, Häfen, Eisenbahnlinien und Straßen gebaut. Nicht aber, um der indigenen Bevölkerung zu helfen, sondern um sie möglichst effizient auszunutzen. Das Kapital dafür kam von europäischen und US-amerikanischen Geldgebern, die sich große Gewinne aus den Investitionen versprachen. Die indigene Bevölkerung wurde dagegen unter menschenunwürdigen Verhältnissen zur Arbeit gezwungen und ausgebeutet. Auf ihr Schicksal nahmen die Kolonialherren in der Regel keine Rücksicht; vielmehr zerstörten sie ihre Lebensgrundlagen. Sie wurden zu rechtlosen Personen, die mit grausamen Strafen rechnen mussten. Mit Prügel-, Verstümmelungs- oder Todesstrafen schufen die Kolonialherren ein Klima der Angst und konnten so ihre Herrschaft festigen. Widerstand und Gewalt Genauso rücksichtslos gingen die Kolonialmächte bei der Niederschlagung von Widerständen vor. Als sich 1857 die Sepoy in Indien gegen die Beschneidung ihrer Rechte und Traditionen durch die britischen Kolonialherren wehrten, wurden sie in brutaler Weise bekämpft. Ähnlich erging es den Burenrepubliken in Südafrika, die aufgrund von Goldfunden britische Begehrlichkeiten geweckt hatten. Nachdem sich die Buren zunächst militärisch erfolgreich widersetzt hatten, unterlagen sie schließlich (M 3). Daraufhin zogen die Briten über zwei Jahre lang eine Spur der Verwüstung durch die eroberten Gebiete. Sie brannten Farmen ab, vernichteten Viehherden und internierten Frauen und Kinder in sogenannten Concentration Camps (1899–1902). Die Herero und Nama mussten sich der militärischen Überlegenheit der deutschen Kolonialisten beugen (1904–1908): Sie hatten sich wegen der unmenschlichen Behandlung gegen die Kolonialisten erhoben. Auf die militärische Niederlage folgte ein Genozid: 40 000 bis 60 000 Herero und 10000 Nama verloren ihr Leben durch Hinrichtungen und Deportationen. Die wenigen Überlebenden wurden in Lager interniert. Einzig dem Kaiserreich Abessinien (heute: Äthiopien) gelang es, 1896 die Eroberungsversuche Italiens zu vereiteln und als einziger Staat Afrikas unabhängig zu bleiben (M 2). Opfer-Perspektiven 7.4 M 1: „Frankreich wird großzügig Frieden und Reichtum nach Marokko bringen.“ Aus der Pariser Zeitung „Le Petit Journal“ vom 19. November 1911. Buren, die niederländische Siedler, die ab dem 18. Jh. Siedlungen im heutigen Südafrika gründeten. 5 10 15 20 25 30 35 45 50 55 60 65 70 75 40 MUSTER
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