292 Die Eroberung und Verwaltung eines „herrenlosen“ Landstrichs war nicht immer das erklärte Ziel imperialistischer Staaten. Sie begnügten sich oft auch „nur“ mit der indirekten Einflussnahme auf außereuropäische Gesellschaften. Zum Beispiel erzwangen sie mit militärischen Drohungen die Öffnung wirtschaftlicher Absatzmärkte und sicherten sich politischen Einfluss. Alle gegen China Die imperialistischen Staaten Europas, die USA und Japan „entdeckten“ im Laufe des 19. Jhs. ihr Interesse an den Märkten des riesigen chinesischen Kaiserreichs. Sie versprachen sich große Profite und wollten daher ihre Öffnung erzwingen. Als China der East India Company, einer britischen Handelsgesellschaft, die Einfuhr und den Handel mit Opium verbot, kam es zum Krieg. Diesen sogenannten Opiumkrieg (1839–1842) gewann Großbritannien dank seiner modernen Flotte. China musste den „Vertrag von Nanking“ unterzeichnen. Dieser „Friedensvertrag“ war der erste einer ganzen Reihe von ungleichen Verträgen, die China aufgezwungen wurden und seine staatliche Souveränität aushöhlten. Die Häfen mussten für den Handel geöffnet und Zoll- und Handelsbegünstigungen gewährt werden. Im Vertrag von Peking (1860) sicherten sich die imperialistischen Staaten das Recht zu, Stützpunkte unter eigener Hoheit zu errichten. Letztlich wurde China nicht wie andere Erdteile am Reißbrett aufgeteilt. Seine Märkte sollten für alle offen bleiben, garantiert wurde dies durch die „Politik der offenen Tür“. Der „Boxeraufstand“ In China regte sich schnell Widerstand gegen die Einflussnahme und Ausbeutung von außen. Die „Boxer“ waren eine Geheimorganisation, die zum Kampf aufriefen und die Herstellung der alten Ordnung forderten. 1900 kam es zum Widerstand: Die „Boxer“ besetzten das Gesandtenviertel in Peking und töteten mehrere Ausländer. Daraufhin besetzten Truppen aus acht Staaten (darunter auch Österreich-Ungarn) Peking und besiegten die „Boxer“. Die Anführer des „Boxeraufstands“ wurden hingerichtet, und China wurde zu hohen Reparationszahlungen verpflichtet. Dollarimperialismus Aus den ehemaligen Kolonien Spaniens und Portugals waren im 19. Jh. unabhängigen Staaten geworden. Diese waren allerdings politisch sehr instabil. Häufig kam es zu Bürgerkriegen und Putschen. Die USA füllten das machtpolitische Vakuum nach und nach. Ab 1865 hatten sich die USA rasch zu einer wirtschaftlichen Weltmacht entwickelt: Um 1900 produzierten sie fast ein Drittel der Industriegüter der Welt. Lateinamerika und den Pazifik betrachteten die USA als einen Bereich politischer Einflussnahme, den sie auch als Absatzmarkt für die industriellen und landwirtschaftlichen Produkte nutzen wollten. Dazu eroberten sie einerseits einige Gebiete (etwa Puerto Rico, Guam, die Philippinen, Hawaii und Hoheitsgebiete am Panamakanal). Andererseits betrieben sie in diesem Raum – ähnlich wie die Europäer in China – eine „Politik der offenen Tür“: USUnternehmen dominierten die Wirt-schaft Lateinamerikas, indem sie sich ertrag- reiche Minen und Plantagen sicherten und große Investitionen tätigten („Dollarimperialismus“). Zur Absicherung ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit schreckten die USA nicht vor militärischen Interventionen zurück. Indirekter Imperialismus 7.2 M 1: Der Artikel aus der Tageszeitung „Der Standard“ listet die militärischen Einmischungen der USA seit 1945 auf. https://www. derstandard.at/ story/865616/ militaerischeinterventionen-derusa-seit-demzweiten-weltkrieg Putsch, der meist gewaltsamer politischer Umsturz in einem Land Hoheitsgebiet, das Gebiet, in dem ein Staat seine Hoheitsrechte (z. B. Münz- hoheit oder Kirchenhoheit) ausübt. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 MUSTER
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