Denkmal 5/6 + E-Book

Die drängenden sozialen Probleme blieben lange Zeit ungelöst. In diesem Umfeld entstand die politische Idee des Sozialismus, dessen Hauptanliegen Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft waren. Die Grundidee und deren Träger Der Sozialismus war eine breite Bewegung, deren Ziel es war, eine gerechte Gesellschaftsordnung und ausgeglichene Eigentumsverhältnisse herzustellen. Der Kapitalismus (s. 5.12) wurde daher abgelehnt, da in ihm die Wurzel der sozialen Ungleichheit erkannt wurde. Die Träger dieser Idee fanden sich vor allem in der besitzlosen Arbeiterklasse (s. 5.16), die ihre Situation verbessern wollte und in den bürgerlichen Fabriksbesitzerinnen und -besitzern kapitalistische Ausbeuter sah. Arbeiterbewegungen und Arbeiterkultur Die Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Industriewirtschaft war katastrophal: niedriger Lohn, keine Versicherungen, unmenschliche Arbeitszeiten. Sie konnten sich dagegen nur allmählich zur Wehr setzen, indem sie sich in Arbeiterbewegungen zusammenschlossen, deren Hauptwaffe der Streik war. Die ersten Gewerkschaftsvereine entstanden in England. Zwar wurden diese Vereinigungen anfangs noch durch Verbote unterdrückt, jedoch konnten sich die Bewegungen in den meisten Ländern Europas mit der Zeit zu regionalen und nationalen Zentralvereinen weiterentwickeln. Die Arbeiterbewegungen veränderten auch das kulturelle Leben der Arbeiterschaft. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten Zugang zur Literatur und neuen wissenschaftlichen Anschauungen. Zum Beispiel entwickelten sich die „Österreichischen Naturfreunde“ zu einer international sehr bekannten Organisation. Zu ihren Aktivitäten zählte die Bewirtschaftung von Häusern und Hütten, die Markierung von Wegen, die Betreuung von Klettersteigen, der Reisedienst und die Fotosektion sowie Expeditionen und die Führung der Hochgebirgsschule Glockner-Kaprun. Die an breiter Bildung interessierten „Freidenker“, aber auch die „Kinderfreunde“ stellten vor allem in Wien allmählich ein wichtiges Gegengewicht zur katholischen Kirche dar, die bis dahin das kulturelle Leben dominiert hatte. Es folgten weitere Gründungen organisierter Arbeitermassenbewegungen, die politisch aktiv und sozialistisch ausgerichtet waren. In diesem Zeitgeist wurden unter anderem in Deutschland und Österreich-Ungarn die sozialdemokratischen Arbeiterparteien (Vorgänger der heutigen SPD bzw. SPÖ) begründet. Dass diese neuen Parteien auf der politischen Bühne nicht gern gesehen wurden, zeigen die von Otto von Bismarck (M 1) erlassenen Sozialistengesetze, die sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Vereine in Deutschland vorübergehend verboten. Kommunismus Bismarcks Verbot hing mit den Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels (M 2) zusammen. Sie beschäftigten sich mit dem Gegensatz der beiden gesellschaftlichen Klassen des Proletariats und der Bourgeoisie, der erst durch eine Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse aufgehoben würde. Die Bedeutung des Proletariats für diese Revolution unterstrich Marx in seinen Werken: Wenn die politische Macht der Arbeiterklasse groß genug sei, folge die Diktatur des Proletariats, in der die „Enteignung der früheren Enteigner“ den Klassengegensatz aufhebe. Diese Enteignung von Privateigentum an Produktionsmitteln stellt das Fundament des Kommunismus dar, dessen Grundsatz die völlige Aufhebung aller gesellschaftlichen Klassen ist. M 1: Otto von Bismarck (1815– 1889), von 1871 bis 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reichs, Foto, 1870. M 2: Karl Marx (1818– 1883) in seinem Arbeitszimmer in Diskussion mit Friedrich Engels (1820–1895); am Boden Exemplare der New York Tribune und der Rheinischen Zeitung. Auf dem Schreibtisch eine Statuette des Giuliano de’ Medici nach Michelangelo, Farbdruck, Mitte 20. Jh. Sozialismus 5.17 5 10 65 70 75 80 45 50 55 60 15 20 25 30 35 40 224 Bourgeoisie, die das Besitzbürgertum, nach Karl Marx die bestimmende Klasse in der kapitalistischen Gesellschaft MUSTER

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