Denkmal 5/6 + E-Book

222 Die soziale Frage: Arbeitsbedingungen 5.16 Die Maschinen der Fabriken benötigten Arbeiterinnen und Arbeiter, um sie am Laufen zu halten. Da die Menschen im Kampf gegen den Hunger jeden Lohnerwerb hinnahmen, konnten die Fabriksbesitzer anfangs auf eine große Zahl nicht ausgebildeter, beinahe rechtloser Arbeiter zurückgreifen, um deren Wohlergehen sie sich kaum kümmerten. Ausgangslage Eine Reihe von Faktoren sorgte für katastrophale Arbeitsbedingungen im 19. Jh. Zunächst führten das rasante Bevölkerungswachstum und die Bauernbefreiung zu einem Überangebot an Arbeitskräften für die neu entstehenden Fabriken. Fabriksbesitzerinnen und -besitzer konnten daher die Arbeiter günstig anstellen. Da die Männer ihre Familien mit diesem geringen Lohn kaum ernähren konnten, musste nun auch Frauen und Kinder arbeiten. Dadurch stieg das Angebot an (billigen) Arbeitskräften jedoch weiter, was wiederum das Lohnniveau nach unten drückte und die Arbeitsbedingungen verschlechterte. Nicht zuletzt brachten auch die wachsenden Zugverbindungen Nachteile für die Arbeiterschaft mit sich: Dadurch, dass immer mehr Städte in kürzerer Zeit erreichbar waren, vergrößerte sich zwar der Markt für die Produzenten, doch auch die Konkurrenz wuchs. Um eine preisgünstigere Produktion zu erzielen, wurde beim Lohn eingespart. Arbeitsbedingungen Als Arbeiterin oder Arbeiter stellte man seine Arbeitskraft einem Fabriksherrn zur Verfügung. Zu Beginn der Industrialisierung setzten diese Inhaberinnen und Inhaber der Fabriken allein die Bedingungen dieses Arbeitsverhältnisses fest. Die tägliche Arbeitszeit betrug in der Mitte des Jahrhunderts bis zu 16 Stunden, an bis zu sieben Tagen pro Woche. Erst bis 1900 wurde der 10-Stunden-Tag eingeführt. Während im vorindustriellen Zeitalter das Tageslicht den Arbeitstag einteilte, mussten sich die Arbeiter nun dem Rhythmus der Maschinen unterordnen. Die körperliche Belastung im Vergleich zur vorindustriellen Arbeit stieg ebenso: Lärm, Hitze, Gestank, Staub und erhöhtes Gefahrenpotenzial (z. B. im Umgang mit Maschinen oder giftigen Chemikalien) waren Teil der Arbeit. Zusätzlich lebten die Arbeiterinnen und Arbeiter in großer Unsicherheit: Es gab keine Jobgarantie. Bei einem Wirtschaftseinbruch konnte man ebenso schnell gekündigt werden, wie bei einem technischen Fortschritt von einer Maschine ersetzt zu werden. Es gab weder Unfall- noch Krankenversicherung, noch eine Absicherung gegen die stets drohende Verelendung. Denn niemand der Arbeiterschaft konnte es sich leisten, Rücklagen anzulegen. Kinderarbeit Kinderarbeit war für Fabriksbesitzerinnen und -besitzer besonders erträglich. Ihr Lohn betrug oft nicht einmal ein Fünftel von dem eines männlichen Arbeiters. Sie wurden nach ihren körperlichen Vorteilen eingesetzt. Sie arbeiteten an Stellen, an denen das Erwachsene aufgrund ihrer Größe nicht konnten, z. B. unter Maschinen, um sie instand zu halten, im Bergbau (M 1) und in Textilfabriken, wo sie gebrochene Fäden verknüpften. Die Fabriksbesitzerinnen und -besitzer waren Kindern gegenüber nicht milder eingestellt als Erwachsenen. Sie wurden bis zur Erschöpfung körperlich ausgenutzt und bei Verfehlungen hart bestraft. Erst im Laufe des Jahrhunderts wurde das Leid der Kinder erkannt und Kinderarbeit durch Gesetze reglementiert. Ein Verbot erfolgte jedoch nicht. M 1: Kinderarbeit in engl. Bergwerken: Kinder werden in einen Stollen hinabgelassen. Holzstich aus (Leipziger) Illustrierte Zeitung, 1844. 5 10 15 20 25 60 65 70 75 30 35 40 45 50 55 MUSTER

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