Der Beginn der Industrialisierung 5.12 Im 18. und 19. Jahrhundert leitete die Industrialisierung einen grundlegenden Wandel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände in Europa und der Welt ein. Möglich wurde dieser unter anderem durch eine Vielzahl an technischen Neuerungen. Voraussetzungen Im 18. Jh. wohnten 90 Prozent der Menschen am Land, große Städte wie London, Paris oder Istanbul waren die Ausnahme. Weite Teile der Bevölkerung arbeiteten von ihren Grundherren abhängig in der Landwirtschaft und mussten Abgaben leisten. In den Städten kontrollierten die Zünfte nach wie vor das Gewerbe, produziert wurde in Heimarbeit oder in kleinen Manufakturen. Mit dem langsam aufkommenden Verlagswesen (s. 4.9) wurde eine Zwischenstufe zur Industrie geschaffen: Verlegerinnen und Verleger koordinierten die Produktion der Waren und organisierten Finanzierung, Vertrieb und Verkauf. Landwirtschaftliche Revolution Der Industrialisierung ging eine landwirtschaftliche Revolution voran. Arbeitstiere ersetzten die menschliche Arbeitskraft. Dies führte zu vermehrter Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte. Sie wurde zum Träger der industriellen Produktion. Neue Arbeitskräfte, Mechanisierung und Arbeitsteilung förderten die Gründung von Fabriken in den Städten. Mutterland England Die Industrialisierung breitete sich von England aus. Aus verschiedenen Gründen waren die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Beschleunigung hier besser als anderswo: England war ein großer nationaler Wirtschaftsraum, der nicht durch Zollschranken behindert wurde. Innerer Frieden und die geographischen Voraussetzungen erleichterten den überregionalen Transport mit Schiffen und Zügen. Traditionell hochentwickelte Branchen wie Feinmechanik und Werkzeugmacherei wurden von den Kolonien mit Rohstoffen beliefert, die ihrerseits wiederum Absatzmärkte für das Mutterland boten. Schließlich war die britische Landwirtschaft außerordentlich produktiv und konnte somit weitere Arbeitskräfte zugunsten der Industrie einsparen. Die Zeit der Erfindungen In keinem anderen Land wurden die Erfindungen der Wissenschaft ähnlich rasch in der Praxis erprobt wie in England. Der britische Erfindergeist führte zu bahnbrechenden Erfindungen. Die Spinnmaschine (M 2) revolutionierte die Textilindustrie. Die Dampfmaschine verwandelte Dampf in Energie, sie trieb Maschinen an und führte zum Siegeszug der Eisenbahn. Diese Innovationen ermöglichten neue Produktionsprozesse. Textilien mussten nicht mehr in mühsamer Handarbeit genäht werden. Der mechanisierte Großbetrieb, die Fabrik, setzte auf Technik und Maschinen, auf Produktivität und Massenanfertigung. Damit wurde die Textilindustrie zum Träger der ersten industriellen Revolution. M 1: Der schottische Erfinder James Watt (1736–1819) verbesserte die Dampfmaschine. Farbdruck (Sammelbild der GutermannNähseidenfabrik), 1920. M 2: Mit Wasserkraft arbeitende Spinnmaschine, 1769 von Richard Arkwright in England entwickelt. Sie stellte in der gleichen Zeit 30-mal so viel Garn her wie ein Mensch. Holzstich, 19. Jh., spätere Kolorierung. Industrialisierung, die bezeichnet eher die prozesshafte Entwicklung zur industriedominierten Wirtschaft und Gesell- schaft. Der Begriff „Industrielle Revolution“ deutet eher auf einen plötzlichen Umbruch hin. Beide Bezeichnungen werden für dieselbe Epoche verwendet. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 214 MUSTER
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