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180 Denk anders! Afrika vor der Ankunft der Europäer 4.33 Segment, das Teil. Eine segmentäre Gesellschaft besteht aus vielen gleichberechtigten Teilen. akephal hauptlos Zwischen Staatlichkeit und staatenloser Organisation Ethnologinnen und Ethnologen unterscheiden für das vorkoloniale Afrika zwei Gruppen von Gesellschaftsformen: jene mit einer zentralisierten Herrschaft und jene mit einer dezentralen, „flachen“ Organisation. Die erste Gruppe verfügte über eine Regierung mit einer zentralen Autorität (etwa: einem König), die das Gemeinwesen lenkte. Die Gesellschaften der zweiten Gruppe verzichteten auf diese Art der Herrschaft. Diese werden daher auch „akephale“ Gesellschaften genannt, weil sie die hierarchische Organisation einer Monarchie nicht kannten. Beispiel 1: die Ganda Im Volk der Ganda stand ein König, der Kabaka, an der Spitze des Staates, der heute Teil der Republik Uganda in Zentralafrika ist und den Namen Buganda trug und noch immer trägt. Er stützte sich auf eine Art staatliche Verwaltung (also Beamte). Daneben gab es auch rechtliche und exekutive Instanzen, also Gerichte und Polizei. Oberster Richter war der Kabaka. Der Regierung des Kabaka stand ein Premierminister vor, der Katikkiro. Er achtete auf die Verteilung des Landes an die Ackerbauern, von deren Erträgen auch der König und sein Gefolge lebten. Unterhalb der zentralen Macht gab es auch noch lokale Stammeshäuptlinge, die vom Kabaka ernannt wurden. Als das Gebiet der Ganda 1894 ein britisches Protektorat wurde, blieben die traditionellen Herrschaftsstrukturen bestehen. Als Uganda 1963 unabhängig wurde, wurde der amtierende Kabaka zum Staatspräsidenten ernannt. Beispiel 2: die Nuer Ganz anders als die Ganda war das Volk der Nuer organisiert. Die Nuer waren halbnomadische Hirten, die im Süden des heutigen Sudans von der Rinderzucht lebten. Man kann die Nuer als kulturelle Gemeinschaft verstehen, nicht aber als Nation. Sie hatten keinerlei staatliche Strukturen und sind das typische Beispiel für eine „segmentäre“ Gesellschaft. Sie bestand aus Verwandtschaftsgruppen (Klans), die sich zu größeren Stämmen verbinden konnten. Ihre Größe konnte sich ändern, weil es immer wieder Spaltungen und neue Verbindungen gab. Innerhalb eines Stamms wurde Streit durch Vermittlung geschlichtet, es gab zwar einen aristokratischen Klan, aber ansonsten keinerlei Hierarchie. Zwischen den verschiedenen Nuer-Stämmen konnte es zwar zu Krieg kommen, viel häufiger kämpften die Stämme aber gemeinsam gegen Feinde von außen. Für die Erforschung der Geschichte Afrikas vor der kolonialen Erschließung durch die Europäer sind vor allem die fehlenden Quellen eine Herausforderung. Sicher ist jedoch, dass im vorkolonialen Afrika sehr unterschiedliche Gesellschaftssysteme nebeneinander bestanden. M 1: Mutesa I., Kabaka von Buganda. Unter seiner Herrschaft (1867–1884) kam es zum ersten Kontakt mit den Europäern, Zeichnung, anonym, 1864. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 MUSTER

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