Denkmal 5/6 + E-Book

158 Der Prager Fenstersturz Mit dem Prager Fenstersturz begann im Jahr 1618 der längste europäische Krieg der Neuzeit. Protestantische böhmische Stände waren in die Prager Burg, den Hradschin, eingedrungen und warfen kaiserliche katholische Statthalter aus dem Fenster. Dem vorangegangen war ein lange andauernder Streit um politische und religiöse Rechte, die den Protestanten trotz des Augsburger Religionsfriedens (s. 4.19) aus dem Jahr 1555 nicht dauerhaft gewährt wurden. Diese gezielte Provokation gegen die regierenden Habsburger forderte eine militärische Reaktion der katholischen Liga heraus, die für den Kaiser (zuerst Matthias, dann Ferdinand II. und III.) in den Krieg zog. Kriegsbeginn Im regional beschränkten böhmischpfälzischen Krieg (1618–1623) siegten die kaiserlichen Truppen. Böhmen wurde nun rekatholisiert, die alte protestantische Führungsschicht musste das Königreich verlassen. Statt einem Ende des Kriegs folgte ein Flächenbrand, der in den folgenden 30 Jahren große Teile Mitteleuropas in Kriegshandlungen hineinziehen sollte. Neben den habsburgischen Ländern waren Dänemark, Frankreich und Schweden darin verwickelt. Zu den Konfessionsfragen drängte sich nun die Frage nach der europäischen Ordnung: Sollte Europa imperial regiert werden, also mit dem Haus Habsburg an der Spitze, oder sollten souveräne Staaten formell gleichberechtigt nebeneinander existieren? Der asymmetrische Krieg Der Dreißigjährige Krieg gilt als Prototyp eines asymmetrischen, also eines „unordentlichen“ Kriegs. Die Fronten variierten ständig, statt staatlichen steuerfinanzierten Heeren standen sich Söldnerarmeen gegenüber, die je nach Bezahlung die Seiten wechselten. Dazwischen gab es immer wieder Waffenstillstände, die aber nicht lange hielten. Der bedeutendste Feldherr des Kriegs, Albrecht von Wallenstein (M 1), hat Kriegskunst und wirtschaftliches Profitdenken miteinander verknüpft. Als treuer Gefolgsmann des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand II. profitierte Wallenstein schon in der Frühphase des Kriegs von den Eroberungen protestantischer Landstriche. Mit Fortdauer des Kriegs wurde er ein reicher und mächtiger Mann – auf Kosten anderer. Auswirkungen auf die Bevölkerung Unter dem Motto „Der Krieg ernährt den Krieg“ entwickelten sich die Kampfhandlungen zu großflächigen Raub- und Beutezügen zu Lasten der Zivilbevölkerung. Diese musste in Form von Kriegssteuern den Sold der Kriegsheere finanzieren. Zudem bezogen die Soldaten ihre Quartiere in den Privathäusern der einfachen Bevölkerung. Die Zivilbevölkerung musste für die Verpflegung der Soldaten aufkommen, was vor allem bei Frauen, Kindern und älteren Menschen zu Unterernährung und Hungersnöten führte. Dörfer und ganze Landstriche wurden auf der Suche nach Nahrung und Vorräten verwüstet. Allein in Deutschland wurde die Bevölkerung um ein Drittel von 18 auf 12 Millionen dezimiert. Von 1618–1648 tobte in Europa ein bis dahin beispielloser Krieg, der ganze Landstriche verwüstete und Millionen von Menschenleben forderte. Entfacht wurden die Auseinandersetzungen aus religiös-konfessionellen Motiven, schnell entwickelte sich der Krieg aber zu einem Wettstreit um Macht und Einfluss. M 1: Albrecht von Wallenstein (1583– 1634), der wohl bekannteste Söldnerheerführer des Dreißigjährigen Kriegs, nach einem Gemälde von Antonis van Dyck, um 1630. katholische Liga, die 1609 gegründetes Militärbündnis katholischer Fürsten und Herzöge. Zu den Verbündeten zählten Kaiser und Papst.  Mehr dazu … In diesem Videoclip werden Vorgeschichte, Ursachen und Verlauf des Kriegs anschaulich erklärt. https://www.youtube. com/watch?app=&v= TJ7FX0A3yTU&t=3s 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Der Dreißigjährige Krieg 4.22 MUSTER

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjg5NDY1NA==