148 Die Krise der katholischen Kirche 4.17 M 1: John Wyclif (1330–1384), englischer Priester und Vordenker der Reformation. Gemälde, W. Holl, 19. Jh. Fegefeuer, das Im Katholizismus ein Zwischenraum zwischen Himmel und Hölle. Wer dort für seine Sünden Strafen erlitten hat, wird in den Himmel eingelassen. büßen durch eine Strafe die Schuld ablegen Innerkirchliche Missstände Die Päpste des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit führten ein luxuriöses Leben an prunkvollen Höfen. Um dieses zu finanzieren, wurden die Abgaben von den Gläubigen erhöht. Die Geld- und Machtgier des Klerus kannten keine Grenzen, es herrschten Korruption, Nepotismus (Bevorzugung von Verwandten des Papstes bei Ämterbesetzungen) und Simonie (Ämterkauf). Der Großteil des Klerus, der mehr an seinem weltlichen Vermögen interessiert war, erfüllte die ihm zugeteilten Aufgaben kaum: Bischöfe vernachlässigten ihre Diözesen, Pfarrer kümmerten sich nicht um die Seelsorge, Äbte ließen ihre Klöster verkommen. Auch der Zölibat wurde nicht ernst genommen. Trotz dieser Zustände suchte die gläubige Bevölkerung dennoch nach Heil und Erlösung in der katholischen Kirche. Vor allem vor den hygienischen und gesundheitlichen Aspekten des Spätmittelalters: Wegen der Pest, die einen großen Teil der Bevölkerung dahinraffte, war der Tod allgegenwärtig. Eine Abwendung vom Glauben und der Kirche war ausgeschlossen. Im ständigen Bewusstsein eines frühen Todes wollten die Menschen von den Strafen, die sie im Fegefeuer für ihre Sünden verbüßen mussten, erlöst werden. Die Kirche nutzte diese Ängste zu ihren eigenen (finanziellen) Vorteilen. Sie versprach den Gläubigen Erlösung aller Sündenstrafen im Fegefeuer, wenn diese der Kirche Geld zukommen ließen. Als Gegenleistung erhielten sie Ablassbriefe, die eine solche Erlösung garantierten. Innerkirchliche Konflikte Auch innerhalb der Kirche traten Konflikte zutage. Auf Druck der französischen Krone siedelten sich die Päpste zwischen 1309 und 1376 in Avignon (s. 3.17) an. Als Papst Gregor XI. wieder nach Rom zurückkehrte, jedoch kurz darauf starb, wählten sowohl die Kardinäle in Avignon als auch in Rom einen neuen Papst. Da keiner der beiden neugewählten Päpste bereit war, zurückzutreten, gab es fortan zwei Päpste, was der Autorität und der Glaubwürdigkeit der Kirche enormen Schaden zufügte. Diese Zeit der Päpste und Gegenpäpste, die man in der Wissenschaft das Abendländische Schisma nennt, dauerte bis zum Jahr 1417 an, als die innerkirchlichen Streitigkeiten am Konzil von Konstanz (1414–1418) beigelegt werden konnten. Viele Missstände in der Kirche, die man im Zuge dieses Konzils ebenso beseitigen wollte, blieben jedoch ungelöst. Reformansätze Erste Schritte, um die Missstände in der Kirche zu bekämpfen, setzte der Prager Priester Jan Hus. Er predigte, beeinflusst vom englischen Priester John Wyclif (M 1), nicht wie üblich in Latein, sondern in der tschechischen Landessprache. Jan Hus kritisierte auch die Geldgier des Klerus und erkannte in Glaubensfragen als einzige Autorität die Bibel und nicht den Papst an. Dafür wurde er am Konstanzer Konzil der Häresie (Irrlehre) beschuldigt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Während die katholische Kirche und das Papsttum im Hochmittelalter ihren Höhepunkt erlebten, setzte im Spätmittalter der langsame Niedergang ein. Die Vernachlässigung der eigentlichen Aufgaben und innerkirchliche Streitigkeiten führten zu Reformationsgedanken, die anfangs noch mit Gewalt unterdrückt werden konnten. 40 45 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 30 35 MUSTER
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