134 Europa um 1500: Zentral- und Südosteuropa 4.10 Das Heilige Römische Reich Zu Beginn des 16. Jhs. bestand das Heilige Römische Reich aus mehr als 200 eigenständigen Staaten. Seit der Mitte des 14. Jhs. wählten sieben Kurfürsten den römisch-deutschen Kaiser. Er galt gemeinsam mit dem Papst als Herr des Christentums sowie als oberster weltlicher Herrscher. Obwohl die Habsburger ab 1438 fast durchgehend den Kaiser stellten, konnten sie keineswegs im ganzen Reich uneingeschränkt regieren. Zentrale oder lokale Macht? Um bei der Kaiserwahl die Stimmen der Kurfürsten zu erhalten, mussten ihnen die Habsburger wiederholt große Zugeständnisse in Form von Ländereien, Geld oder für sie vorteilhafte Gesetze machen. Die Kurfürsten betrieben wie die anderen Reichsstände eine Hausmachtpolitik. Sie waren interessiert an einem schwachen Kaisertum, um ihre eigene Machtbasis zu vergrößern. Die Versuche der Habsburger, diese Situation zu ihren Gunsten zu verändern, scheiterten letztlich. Anders als in ihren eigenen Besitzungen gelang es ihnen auf Reichsebene nicht, eine zentralisierte Politik zu betreiben. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 (s. 4.23) war die Kaiserwürde ein symbolischer Titel ohne realpolitische Macht im Reich. Italien Im späten Mittelalter begnügten sich die deutschen Könige damit, in Italien formal zum römischen Kaiser gekrönt zu werden, und mischten sich nicht in die italienischen Verhältnisse ein. Die eigentliche Macht lag in Italien bei Adelsfamilien, die in den größeren Städten residierten. Mailand, Genua, Pisa und allen voran Florenz vergrößerten ihren Einflussbereich immer weiter. Um 1500 gab es mehrere Kriege in Italien zwischen französischen und habsburgischen Truppen sowie deren lokalen Verbündeten. Diese Kriege führten dazu, dass das Königreich Neapel und das Herzogtum Mailand – einige der mächtigsten italienischen Regionen – an die spanischen Habsburger fielen. Osteuropa Im Mittelalter waren große Gebiete Osteuropas den mongolischen Nachfolgestaaten von Dschingis Khan tributpflichtig. Sie mussten also für ihre Unabhängigkeit bezahlen. In der Neuzeit verlor die Goldene Horde, andere Staaten gewannen an Einfluss: Die Adelsrepublik Polen-Litauen und das aus dem Großfürstentum Moskau entstandene Zarentum Russland waren die neuen Großmächte in Osteuropa. Das Osmanisches Reich Mit der Eroberung Konstantinopels (1453) war das Osmanische Reich zur führenden Macht in Südosteuropa, im Nahen Osten und Nordafrika geworden. Der Aufstieg Russlands und PolenLitauens führte zu einer Reihe von Konflikten mit dem Osmanischen Reich. Auch mit anderen europäischen Staaten, wie der Republik Venedig und nicht zuletzt mit den habsburgischen Ländern in Zentraleuropa, führten die Osmanen immer wieder Kriege. Kulturell übernahm das Sultanat vieles vom byzantinischen Kaisertum. Zum Beispiel waren die osmanischen Sultane wie die oströmischen Kaiser oberste weltliche und geistliche Herrscher. Die folgenden Seiten bieten eine Übersicht über die politischen Entwicklungen verschiedener Teile Europas vom Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit. In jener Zeit wurden die Grundsteine für die Staatswerdungen vieler Länder, die heute noch bestehen, gelegt. M 1: Der florentinische Staatsmann Niccolò Machiavelli (1469– 1527), Porträt von Santi di Tito, 2. Hälfte 16. Jh. Reichsstände, die die weltlichen und geistlichen Fürsten und Kurfürsten sowie der Reichsstädte des Heiligen Römischen Reiches Hausmachtpolitik, die Streben eines Adelshauses nach mehr Ländereien Goldene Horde, die mongolischer Staat im 13.-15. Jh. der sich von Osteuropa bis Zentralasien erstreckte. 5 10 60 65 70 15 20 25 50 55 30 35 40 45 MUSTER
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