Denkmal 5/6 + E-Book

118 Eine neue Geisteshaltung In Norditalien entsteht ab dem 14. Jh. eine neuartige geistig-kulturelle Strömung, in welcher der Mensch einen zentralen Stellenwert einnimmt: der Humanismus. Diese neue Geisteshaltung greift viele Ideen und Vorstellungen der Antike auf und unterscheidet sich so wesentlich vom Denken der vorangegangenen Jahrhunderte. Der freie Wille, Individualität und Rationalität sind zentrale Konzepte des Humanismus. Italien: Die Wiege des Humanismus Es gab mehrere Gründe, warum sich der Humanismus in Italien entwickelte: Oberitalien war die am höchsten urbanisierte Region Europas. Es gab keine zentrale politische Einheit, sondern viele Kleinstaaten, die zumeist Republiken waren und deshalb ein relativ hohes Maß an Freiheit boten. Aufgrund des Niedergangs des Byzantinischen Reiches migrierten zahlreiche Gelehrte samt ihren griechischsprachigen antiken Werken nach Italien, wo sie übersetzt wurden. Diese Texte verhalfen den Menschen in Italien zu neuem Wissen über die Kultur und Philosophie der griechisch-römischen Antike. Ideal Antike Für die gebildete Oberschicht wurde es zunehmend „modern“, sich mit der Antike zu beschäftigen (M 1). Die lateinischen Autoren Ovid und Cicero lagen besonders im Trend. Vermögende Adelige, aber auch Bürgerinnen und Bürger, erwarben immer mehr Texte der antiken Schriftsteller, so tauchten längst vergessen geglaubte Ideen und Vorstellungen wieder auf. Der Mensch rückt ins Zentrum Im Humanismus der Frühen Neuzeit rückt der Mensch in den Mittelpunkt von Forschung, Kunst und Philosophie. Aus den antiken Texten übernahmen die Gelehrten die Diskussionen über Ethik. Sie fragten nun nach Gut und Böse, Richtig und Falsch. Ein Affront gegenüber der Kirche, die die Deutungshoheit über Moralität beanspruchte. So wurde vermehrt auf das irdische Leben und die menschliche Vernunft Bezug genommen. Das Göttliche stand nicht mehr ausschließlich im Fokus. Dadurch waren Konflikte mit den kirchlichen Institutionen unausweichlich. Konflikte mit der Kirche Da gemäß kirchlichem Weltbild nach wie vor Gott und nicht der Mensch im Zentrum des Universums stehen sollte, wurden humanistische Ansätze oft als häretisch erachtet. Für die Kirche stellten aber nicht nur wesentliche Grundsätze der humanistischen Haltung, sondern auch Innovationen in der Malerei und Bildhauerei, wie das Darstellen von Nacktheit nach antikem Vorbild, einen Tabubruch dar. M 2: Italienische 1-Euro-Münze. Darauf abgebildet ist der Vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci. M 1: Ein Cicero lesender Knabe, Fresko von Vincenzo Foppa, um 1465. Spätestens mit dem beginnenden 15. Jahrhundert setzte sich unter den gebildeten Bevölkerungsschichten Oberitaliens eine neue Weltanschauung durch. Diese führte zu weitreichenden Änderungen in zahlreichen Gebieten, wie beispielsweise der Malerei, den Naturwissenschaften oder der Architektur. Ethik, die der Teil der Philosophie, der sich mit dem menschlichen Verhalten und Handeln auseinandersetzt Häresie, die Ansichten und Standpunkte, die mit den Lehren der römisch-katholischen Kirche als unvereinbar galten. Neues Denken 4.2 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 MUSTER

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