96 Religiöse Reformbewegungen 3.17 Frühe Reformbewegung Im 10./11. Jahrhundert machte sich der Verfall der Bildung von Mönchen, Priestern und auch hohen Geistlichen immer stärker bemerkbar. Deshalb formte sich eine Bewegung innerhalb der Kirche zur Reformierung (= Erneuerung) von Kirche und auch Klöstern. Die Päpste beteiligten sich an den Reformmaßnahmen. Man versuchte beispielsweise, gegen den Kauf von kirchlichen Ämtern (Simonie) vorzugehen und verlangte, dass alle Priester und Mönche sich an das Gebot der Ehelosigkeit hielten (Zölibat). Die Gründung des Zisterzienserordens (1098), der eine Rückkehr zu den Traditionen der Benediktiner anstrebte, war eine Folge dieser innerkirchlichen Reformbewegung. Ketzer und Häretiker Im 12. Jh. entwickelten sich neue Reformbewegungen auch außerhalb der Kirche, die sich von Rom abwandten und die Missstände in der röm. Kirche anprangerten. Viele Menschen fühlten sich von den neuen Lehren angezogen. So entstanden religiöse Gruppierungen, die von der Lehrmeinung der römischen Kirche abwichen (Häresie). Die Katharer (M 1, M 3) waren im Mittelalter die bedeutendste dieser Bewegungen. Sie entwickelten eine eigene Glaubenslehre. Im Gegensatz dazu wollten die Waldenser vielmehr eine Reformation des bestehenden Systems. Alle diese Gruppen wurden von der römischen Kirche verfolgt. Ihre Anhänger wurden Häretiker oder, vermutlich abgeleitet von „Katharer“, auch Ketzer genannt. 5 10 15 In Zeiten größerer Not, politischer wie auch wirtschaftlicher Unsicherheit formten sich immer wieder Bewegungen, die das religiöse Leben kritisierten oder auch reformieren wollten – innerhalb und außerhalb der römischen Kirche. M 2: Der Historiker Werner Maleczek schreibt über die Ketzerverfolgungen (1986): Die Ketzerverfolger waren völlig davon überzeugt, dass Gruppen, die von der Lehre der katholischen Kirche abwichen, eine fundamentale Bedrohung für die Gläubigen darstellten, bei der es um ewiges Leben oder ewige Verdammung ging. Deshalb wirkten geistliche und weltliche Instanzen auch ohne Zögern bei der Ketzerverfolgung zusammen. Werner Maleczek, Die Ketzerverfolgung im österreichischen Hoch- und Spätmittelalter. In: Erich Zöllner (Hrsg.), Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte (Schriften des Institutes für Österreichkunde 48), Wien 1986, S. 18. D 20 25 30 35 M 3: Papst Innozenz III. ruft Adel und Volk Südfrankreichs zum Kampf gegen die Katharer auf: Bekämpft die Anhänger der Häresie mit kraftvoller Hand und mit starkem Arm, und sogar noch mit größerer Unerschrockenkeit als die Sarazenen. [...] Voran, Ritter Christi! Voran, ihr wackeren Soldaten des Heeres Christi! Möge das allgemeine Wehklagen der heiligen Kirche euch aufrütteln, möge ein frommer Eifer, die eurem Gott angetane ungeheure Gewalttat zu rächen, euch entflammen! Zit. nach Barber, Malcom: Die Katharer. Ketzer des Mittelalters. © 2003 Bibliographisches Institut GmbH (Artemis & Winkler), Berlin, S. 108. Q M 1: Die Vertreibung der Katharer aus Carcassonne. Buchmalerei, 1415. MUSTER
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