93 93.1 Der „Oberste Führer“, Ali Chamenei, ist seit 1989 das politische und religiöse Oberhaupt des Iran. Eine Trennung von Staat und Religion gibt es im Iran nicht. 93.2 Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Transfer: Trennung von Kirche und Staat? Das Prinzip der Säkularität, das eine Trennung von kirchlicher und weltlicher Herrschaft vorsieht, hat sich im Zuge der Aufklärung entwickelt und setzte sich seit dem 18. Jh. in vielen Ländern durch. Besonders strikt wurde dieses Prinzip in Frankreich umgesetzt. Säkulare Staaten sollen sich gegenüber allen Religionen neutral verhalten, religiöse Gruppen sollen keine Möglichkeiten der direkten politischen Einflussnahme haben. Im 19. Jh. erlangte die römisch-katholische Kirche mit dem Konkordat (= völkerrechtliche Vereinbarung mit dem Vatikan) großen Einfluss in Österreich. 1933 schloss der diktatorisch regierende Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ein weiteres Konkordat mit dem Vatikan, das im Wesentlichen bis heute gültig ist und kontrovers diskutiert wird. Kritikerinnen und Kritiker meinen, dass es im modernen Österreich eine deutlichere Trennung zwischen Kirche und Staat geben müsse. Religiöse oder säkulare Ansätze für moderne Herausforderungen? Der israelische Historiker Yuval Noah Harari macht sich in seinem Buch „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ Gedanken über Religion und Politik: Bislang ist es modernen Ideologien, wissenschaftlichen Experten und nationalen Regierungen nicht gelungen, eine tragfähige Vision für die Zukunft der Menschheit zu entwickeln. Lässt sich eine solche Vision aus dem tiefen Brunnen menschlicher Glaubenstraditionen schöpfen? Vielleicht steht die Antwort für uns schon längst irgendwo in der Bibel, im Koran oder in den Veden bereit. Säkulare Menschen reagieren auf diese Vorstellung vermutlich mit Spott oder Besorgnis. Heilige Schriften mögen im Mittelalter relevant gewesen sein, aber wie sollen sie uns, bitte schön, ins Zeitalter künstlicher Intelligenz, der Biotechnologie, des Klimawandels und des Cyberkriegs führen? Doch säkulare Menschen sind eine Minderheit. Milliarden glauben noch immer eher an den Koran und an die Bibel als an die Evolutionstheorie; religiöse Bewegungen prägen die Politik so unterschiedlicher Länder wie Indien, Türkei und Vereinigte Staaten; und religiöse Animositäten befeuern Konflikte von Nigeria bis zu den Philippinen. Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, C.H. Beck: München, 7. Auflage, 2021, S. 207. Aufgaben 1 Diskutieren Sie die Frage, ob in österreichischen Schulen die religiösen Symbole von allen anerkannten Religionsgemeinschaften aufgehängt werden sollen. (PU) 2 Erläutern Sie, ob die Verbindungen zwischen Staat und Religion an Ihrer Schule eine Rolle spielen. (PU) 3 Der Historiker Yuval Noah Harari stellt die Frage, ob Religionen vielleicht doch Antworten auf moderne politische Fragestellungen parat haben könnten. Er selbst äußerst sich an späterer Stelle kritisch dazu. Diskutieren Sie diese These in der Klasse. (PU) 4 Nehmen Sie selbst Stellung zur Frage, ob eine deutlichere Trennung zwischen Kirche und Staat in Österreich nötig ist. Begründen Sie Ihr Urteil. (PU) Religion und Politik MUSTER
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