89 3.4 Islam und Christentum: Kontakte, Konflikte, Einflüsse Für Europa war historisch gesehen die Beziehung zum islamischen Raum die längste und fruchtbarste Phase intensiven Kontakts mit einer anderen Kultur. Austausch und gegenseitige Bereicherung Unter der Herrschaft einer arabisch sprechenden Minder- heit entwickelte sich in vielen eroberten Gebieten (Persien, Naher Osten, Nordafrika) eine blühende Landwirtschaft; auch Wirtschaft, Kultur und Wissenschaften erlebten einen Aufschwung. Die Abbasidenkalifen (750–1258) integrierten verschiedene kulturelle Einflüsse, und Künstler und Wissenschaftler entwickelten eine eigenständige islamische Hochkultur. In Sizilien und Spanien kam es zu einem regen kulturellen Austausch zwischen christlichem, islamischem und jüdischem Kulturkreis. Während im Norden das Christentum das einigende Band der neu entstandenen Herrschaftsgebiete darstellte und der christliche Einfluss zu neuen innovativen Gemeinschaftsstrukturen und großen kulturellen Leistungen ( S. 84) führte, wurde im Süden und Osten der Islam zur einigenden Kraft. Konflikte Das Verhältnis zwischen der islamischen Welt und dem Westen war im Mittelalter und in der Neuzeit allerdings auch von heftigen Auseinandersetzungen geprägt. Ein Konfliktherd war die muslimisch besetzte Iberische Halbinsel, ein weiterer Konfliktherd war Palästina. Die Kämpfe im „Heiligen Land“ wurden unter der Schirmherrschaft des Papstes geführt. Langfristig scheiterten diese 200 Jahre dauernden Versuche, die heiligen Stätten der Christen, Juden und Muslime dauerhaft unter christliche Oberhoheit zu bringen ( S. 90–91). Kulturelle Überlegenheit der islamischen Welt Aus dem Orient importierte man Gewürze, Öle, wertvolle Stoffe und zahlreiche Produkte eines verfeinerten städtischen Lebens. Europa war der islamischen Welt kulturell und wissenschaftlich unterlegen. Mathematik und Astronomie, Naturwissenschaft und Technik, Philosophie und Medizin hätten ohne die Vermittlung der Muslime nicht den Aufschwung nehmen können, der ab dem 12. Jh. stattfand. Dabei spielten sowohl arabische Übersetzungen aus dem Griechischen als auch eigenständige arabische Weiterentwicklungen der antiken Wissenschaften eine Rolle. Die Medizin in der islamischen Welt In Bagdad gab es ab dem späten 8. Jh. Krankenhäuser, die Angehörigen aller Glaubensrichtungen offenstanden. Die Behandlung war kostenlos, die Spitäler standen unter staatlicher Aufsicht und wurden von Herrschern oder anderen wichtigen Persönlichkeiten gestiftet. Die Lehrbücher des antiken griechischen Arztes Galen und des persischen Arztes Ibn Sina (980–1037) blieben in Europa über Jahrhunderte führend im Bereich Medizin. Der arabische Arzt al-Magusi (gestorben um 995) erkannte die Wichtigkeit der Beobachtung für die Diagnostik, Ibn Ruschd (Averroes, 1126–1198) wies auf die Bedeutung der Prophylaxe (Krankheitsverhütung) hin und maß der Hygiene dabei grundlegende Bedeutung zu. Die arabische Sprache Wie das Hebräische ist das Arabische eine Sprache heiliger Schriften. Wie das Griechische war es die Sprache der Wissenschaft und Philosophie, wie das Lateinische die Sprache des Rechts und des Staates. Auf all diesen Gebieten lieferte es Ideen und Begriffe. Arabisch wurde – wie in Europa im 17., 18. und 19. Jh. das Französische – zum Maßstab für Geschmack und Eleganz. Arabisch war außerdem, wie heute das Englische, auch die Sprache von Kultur und Handel. 89.1 Anatomische Zeichnung des menschlichen Körpers, Persien (15. Jh.). Wörter arabischer Herkunft Alkohol von: al-kuhul Algebra von: al-jabr Chemie von: al-kimiya Ziffer von: sifr = Null Religion und Politik MUSTER
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