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79 2.2 Missionierung an der Basis: Klöster im Mittelalter Ab dem 6. Jh. war es vor allem die Aufgabe von Missionaren und Missionarinnen sowie Klöstern, die Bevölkerung für den neuen, von den Machthabern bevorzugten Glauben zu gewinnen. Das war manchmal sehr schwierig, wie der aus dem frühen 9. Jh. stammende Bericht über die Bekehrung des friesischen Herrschers Radbod zeigt: Radbod hatte schon einen Fuß in das Taufbecken gesetzt, als er von Bischof Wulfram erfuhr, dass seine Vorfahren sich in der höllischen Verdammnis befänden. Daraufhin verweigerte Radbod die Taufe, da er lieber mit den verstorbenen Friesenfürsten in der Hölle schmoren als mit ein paar armen Leuten im Himmelreich sitzen wollte. Die Anfänge: religiöse Mischformen In der Auseinandersetzung zwischen der auf Erzählungen beruhenden germanischen Religion und dem auf Basis der Bibel verbreiteten neuen Glauben kam es auf einen Aspekt besonders an: Wer hatte den stärkeren Gott? Im Frühmittelalter findet man zahlreiche Beispiele für religiöse Mischformen, die zeigen, dass die Menschen einerseits christliche Kreuze, andererseits aber auch Tieramulette und Darstellungen von Dämonen verwendeten. Klösterliche Lebensformen Im 6. Jh. entstand in Italien eine klösterliche Gemeinschaft, die in den nächsten 600 Jahren für das gesamte westliche Mönchstum prägend werden sollte: das von Benedikt von Nursia (480–547) gegründete Kloster Monte Cassino. Benediktiner und Benediktinerinnen trugen entscheidend zur Missionierung Europas bei. Benedikts Regeln banden Mönche und Nonnen dauerhaft und lebenslang an das Kloster, verpflichteten sie nach Prüfungs- und Probezeit auf ein unauflösbares Gelübde, auf asketische Lebensregeln, auf Gehorsam gegenüber Gott und dem Abt sowie auf Keuschheit und Armut. Der größte Teil des Tages war dem Gebet sowie der Meditation und Lektüre gewidmet. Handwerkliche Arbeit, die zum Lebensunterhalt der Nonnen und Mönche beitragen sollte, schaffte dazu einen Ausgleich. Klösterliche Lebensformen scheinen vielen heutigen Vorstellungen von gesellschaftlichem Fortschritt und Mitspracherecht zu widersprechen. Die strikte Zeitdisziplin und die genau einzuhaltenden Regeln unterwarfen Mönche und Nonnen strengen Normen, Demut und Gehorsam wurden eingeübt. Die klösterliche Lebensform ist laut den Soziologen Erving Goffman und Max Weber damit jedoch auch ein Vorläufer der in späteren Jahrhunderten erforderlichen „Fabriksdisziplin“ von Arbeiterinnen und Arbeitern. Wissenschaftsorientierung Mönche und Nonnen waren dazu angehalten, das Wissen griechischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie Philosophen und Philosophinnen zu bewahren und weiterzugeben. In West- und Mitteleuropa wurden im Früh79.1 Kloster Clonmacnoise: Inschriftenkreuz (10. Jh.). 79.2 Klosterkirche (Ruine) Jerpoint Abbey (12. Jh.). Religion und Politik MUSTER

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