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74 Wechselwirkungen zwischen Religion und Herrschaft Ausschnitt aus den Lorscher Annalen Und weil schon damals das Kaisertum bei den Griechen [im Byzantinischen Reich] nicht mehr bestand und sie eine weibliche Herrschaft [Kaiserin Irene] hatten, erschien es dem Apostelnachfolger Leo selbst und allen heiligen Vätern, die an diesem Konzil teilnahmen, und dem übrigen christlichen Volk, dass sie Karl, den König der Franken, zum Kaiser erheben müssten. Denn er hielt Rom in Besitz, wo immer Kaiser zu herrschen pflegten, und er hatte auch die übrigen Städte in Italien, Gallien und Germanien inne, weil der allmächtige Gott ihm alle diese Sitze in seine Macht gegeben hatte. Daher erschien es ihnen gerecht, dass er mit Gottes Hilfe und auf Bitten des gesamten Christenvolkes diesen Titel erhielt. Lorscher Annalen, nach: Hartmann, Deutsche Geschichte, Bd. 1, S. 55 f. Aufgaben 1 Recherchieren Sie, welche EU-Staaten heute im ehemaligen Reichsgebiet Karls des Großen ( S. 73) liegen. (HM) 2 Arbeiten Sie heraus, wie die Verfasser der Lorscher Annalen Karl beurteilen. (HM) 3 Beurteilen Sie Karl als Symbolfigur für ein sich vereinigendes Europa und nehmen Sie zu den Aussagen der Stifter des Karlspreises Stellung. (PU) 4 Analysieren Sie die Wechselwirkungen zwischen Politik und Religion im Frankenreich. (HM) Kaiserkrönung und Herrschaft Karls 800 wurde Karl vom Papst in Rom zum „Kaiser der Römer“ gekrönt. Damit gab es nach Jahrhunderten wieder ein „Weströmisches“ Kaiserreich. Karl sah sich als Nachfolger der römischen Kaiser und als weltlicher Führer der Christenheit. Sein Reich umfasste Mitteleuropa, Spanien bis zumEbroundTeileItaliens,underunterhieltdiplomatische Beziehungen in weite Teile der Welt ( S. 83). Entwicklungen nach dem Tod Karls des Großen Als Karl 814 starb, hinterließ er das mächtigste Reich in Europa, das dem Byzantinischen Reich gleichgestellt war. Zwischen seinen Söhnen und Enkeln kam es zu Erbstreitigkeiten. Destabilisierend wirkten auch die Wikinger- bzw. Normanneneinfälle. 843 wurde mit dem Vertrag von Verdun schließlich ein Teilungsplan in ein West-, ein Mittel- und ein Ostreich erarbeitet. Auf sprachlicher Ebene kam es zu einer Zweiteilung: Im Westen entwickelte sich (Alt-)Französisch, im Osten das (Althoch-)Deutsche. Die Schwäche der karolingischen Könige bewirkte in allen Teilen des Reiches eine zunehmende Stärkung der Adelsfamilien, die Stammesherzöge gewannen an Einfluss. In der 2. Hälfte des 10. Jhs. bildeten sich die Konturen des mittelalterlichen Deutschlands und Frankreichs deutlicher heraus. Normannen und Magyaren Im späten 9. Jh. brachen die Magyaren (Ungarn) über die Karpaten in den Donau-Theiß-Raum ein. Erst 955 konnte sie Otto I. vernichtend schlagen. Von Norden her plünderten die Wikinger (Normannen) Küsten und Flusslandschaften. Als sie später sesshaft geworden waren und das Christentum angenommen hatten, gelang es ihnen, gut funktionierende Staaten zu schaffen, etwa in England und Sizilien. Ottonen Nachdem Anfang des 10. Jhs. der letzte Karolinger kinderlos gestorben war, wurde 919 der Sachsenherzog Heinrich König im ostfränkischen Reich. Aufgrund militärischer Erfolge gegen die magyarischen Reiterkrieger konnte er seinen Einfluss ausbauen und die Nachfolge seines Sohnes Otto sichern. Otto konnte 955 durch den Sieg in der Schlacht auf dem Lechfeld seine Stellung endgültig festigen. 962 wurde Otto I. in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt und gesalbt. Mit der Wiedererrichtung des Kaisertums waren für die Ottonen und ihre Nachfolger die Weichen für Jahrhunderte gestellt ( S. 83). Die Kaiserkrönung musste stets in Rom und durch den Papst erfolgen, was lange Abwesenheiten der Herrscher bedingte. Karl der Große – ein Vorbild? Karl der Große war nicht nur den mittelalterlichen deutschen Herrschern ein Vorbild, auch die Nationalstaaten Frankreich und Deutschland bedienten sich seines Mythos. Dass Karl auch heute noch Symbolfigur sein kann, zeigt der 1950 geschaffene Karlspreis. Mit ihm werden Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben. In Karl dem Großen sehen die Stifter des Preises den ersten Einiger Europas, dessen Ziel es war, mit neu gewonnener Stärke die höchsten irdischen Güter – Freiheit, Menschlichkeit und Frieden – zu verteidigen, den unterdrückten und Not leidenden Völkern wirksam zu helfen und die Zukunft der Kinder und Enkel zu sichern. (www.karlspreis.de) MUSTER

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