288 Das „lange“ 19. Jahrhundert Das 1871 neu entstandene Deutsche Reich wolle, so Reichskanzler Bülow, auch seinen „Platz an der Sonne“. Damit meinte er, dass sich Deutschland am Kampf der europäischen Mächte um die Kolonien beteiligen sollte. Die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ 1884 gründete der deutsche Unternehmer und Kolonialist Carl Peters die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“, um in „Deutsch-Ostafrika“ ähnliche Strukturen zu entwickeln wie die Briten in ihren Kolonien: Ich erkannte [in England], was die Wechselwirkung zwischen Mutterland und Kolonien handelspolitisch und volkswirtschaftlich bedeutet und was Deutschland jährlich verliert dadurch, dass es seinen Kaffee, seinen Tee, seinen Reis, seinen Tabak, seine Gewürze […] von fremden Völkern sich kaufen [muss]; welchen Wert es für die einzelnen Persönlichkeiten in England hat, dass ein jeder in den Kolonien Gelegenheit finden [kann], seinen Unterhalt zu verdienen und sich ein unabhängiges Vermögen zu machen, […]. (Carl Peters: Wie Deutsch-Ostafrika entstand, Leipzig 1912, S. 8. Zit nach: Fragen an die Geschichte 3, S. 264). Die negativen Folgen der europäischen Herrschaft für die kolonialisierten Völker waren für Peters aufgrund seines extrem rassistischen Menschenbildes ohne Bedeutung: Der Neger ist der geborene Sklave, dem ein Despot nötig ist wie dem Opiumraucher die Pfeife … Er ist verlogen, diebisch, falsch und hinterhältig. (www.afrika-hamburg.de). Die europäische Expansion wurde jedoch nicht nur zustimmend kommentiert, schon im 19. Jh. gab es auch kritische Stimmen. Kritik an der deutschen Kolonialpolitik August Bebel etwa, Deutschlands führender Sozialdemokrat, trat im deutschen Reichstag heftig gegen eine Gesetzesvorlage auf, die vorgab, deutsche Truppen gegen den Sklavenhandel zu entsenden. In Wirklichkeit jedoch sollten die Truppen einen Aufstand der Einheimischen niederschlagen, der durch das unmenschliche Verhalten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ausgelöst worden war. Die deutschen Truppen sollten Peters unterstützen und seine Besitzungen übernehmen. 5.3 Die Perspektive erweitern: Imperialismuskritik Kritik Bebels an der „Deutsch- Ostafrikanischen Gesellschaft“ (1889) Wer ist denn diese Ostafrikanische Gesellschaft? Ein kleiner Kreis von Großkapitalisten, Bankiers, Kaufleuten und Fabrikanten, d. h. ein kleiner Kreis von sehr reichen Leuten, deren Interessen mit den Interessen des deutschen Volkes gar nichts zu tun haben, die bei ihrer Kolonialpolitik nichts als ihr eigenes persönliches Interesse im Auge haben […]. >> Einer solchen Kolonialpolitik werden wir nie unsere Zustimmung geben. Im Grunde genommen ist das Wesen aller Kolonialpolitik die Ausbeutung einer fremden Bevölkerung in der höchsten Potenz. Wo immer wir die Geschichte der Kolonialpolitik in den letzten drei Jahrhunderten aufschlagen, überall begegnen wir Gewalttätigkeiten und der Unterdrückung der betreffenden Völkerschaften, die nicht selten schließlich mit deren vollständiger Ausrottung endet. […] Dass wir von unserem Standpunkt aus als Gegner jeder Unterdrückung nicht die Hand dazu bieten, werden Sie begreifen. Bebel, Ausgewählte Reden und Schriften, Hg. Herrmann et al., S. 523–533. Bebel am 17. Februar 1894 im Reichstag Meine Herren, was bedeutet denn aber in Wahrheit Ihre christliche Zivilisation in Afrika? Täuschen Sie sich doch nicht darüber, oder versuchen Sie nicht, Andere zu täuschen – [–] also: was bedeutet in Wahrheit diese ganze sogenannte christliche Zivilisation in Afrika? Äußerlich Christenthum, innerlich und in Wahrheit Prügelstrafe, Weibermisshandlung, Schnapspest, Niedermetzelung mit Feuer und Schwert, mit Säbel und Flinte. Das ist Ihre Kultur. Es handelt sich um ganz gemeine materielle Interessen, ums Geschäftemachen und um nichts weiter! Zit. nach: Hinz/Patemann/Meier (Hg.), Weiß auf Schwarz, S. 116. Kritik Gandhis am britischen Imperialismus Mohandas Karamchand Gandhi, genannt Mahatma Gandhi, große Seele, politischer und geistiger Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, prangerte 1942 den britischen Imperialismus an: Gandhi, Quit India speech (8. August 1942) Then there is the question of your attitude towards the British. I have noticed that there is hatred towards the British among the people. The people say they are disgusted with their behaviour. The people make no distinction between British imperialism and the British people. To them, the two are one. This hatred would even make them welcome the Japanese. It is most dangerous. It means that they will exchange one slavery for another. We must get rid of this feeling. Our quarrel is not with the British people, we fight their imperialism. www.famousquotes.me.uk/speeches/Mahatma_Gandhi/ index.htm. MUSTER
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