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284Das „lange“ 19. Jahrhundert Wien war um 1900 eine Großstadt geworden. Zwischen 1870 und 1910 stieg die Einwohnerzahl von rund 840 000 auf mehr als das Doppelte (etwa 2 Millionen) an. Aus allen Teilen des multinationalen Staates strömten Zuwanderer und Zuwanderinnen in die Hauptstadt, verschiedenste ethnische und religiöse Gruppen trafen hier aufeinander. Ähnlich unterschiedlich und konfliktträchtig waren die sozialen Verhältnisse. Adelige Paläste, bürgerliche Salons und die prachtvolle Ringstraße standen den Klein- und Kleinstwohnungen in den Vorstädten gegenüber, eine elitäre Hochkultur der populären Massenkultur. Der Prater mit seinen vielfältigen Freizeitvergnügungen und die 1896 erstmals vorgeführten „Lebenden Bilder“ waren die großen Attraktionen. Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus Die multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung ließ ausländerfeindliche Stimmungen aufkommen, vor allem gegen aus dem Osten zugewanderte Jüdinnen und Juden. Der damalige Bürgermeister von Wien, Karl Lueger (1897–1910), sammelte das durch die Industrialisierung und Wanderungsbewegungen verunsicherte Wiener Kleinbürgertum in der modernen Massenpartei der Christlichsozialen hinter sich. Lueger sorgte für wichtige Verbesserungen der Infrastruktur der Stadt (z. B. Verkehr, Zweite Hochquellwasserleitung, Gas, Elektrizität). Einen Teil seiner Popularität verdankte er jedoch seinen „publikumswirksam“ vorgetragenen antisemitischen Parolen. Als der 18-jährige Adolf Hitler 1907 von Braunau am Inn nach Wien zog, um Kunstmaler zu werden, fand er eine Stadt vor, in der völkische Rhetorik und Vorurteile gegen Fremde allgegenwärtig waren. Nicht so sehr Schnitzler, Freud und Klimt dominierten das öffentliche Leben, weit stärker prägten es bekennende Antisemiten wie der Alldeutsche Georg von Schönerer oder Bürgermeister Karl Lueger. Aufgaben 1 Erläutern Sie kurz, welche Gegensätze Wien um die Jahrhundertwende prägten. (HM) 2 Bildanalyse. Beschreiben Sie die Personen auf dem Foto. Welcher Schicht gehörten sie an? Erläutern Sie auch, worauf Sie sich bei Ihrer Zuordnung stützen. (HM) 3 Bildinterpretation. Erklären Sie, welche Absichten hinter der Fotografie standen (z. B. Dokumentation, Werbung, Sozialkritik). Beziehen Sie die Wirkung der speziellen Farbigkeit (aufgrund der Kolorierung) in Ihre Deutung mit ein. (HM) 4.2 Das andere Wien 284.1 Emil Mayer, Blumenfrauen, handkolorierte Fotografie (um 1910). Ein fixer Bestandteil des Wiener Stadtbildes waren die Blumenstände. Das Bild zeigt einen dieser Stände beim Viadukt der Verbindungsbahn am Praterstern. MUSTER

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