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278 Das „lange“ 19. Jahrhundert Die Lebensverhältnisse der Arbeiterfamilien des 19. Jhs. waren trist. Erste theoretische Überlegungen für eine Verbesserung ihrer Situation gingen von wohlhabenderen Bevölkerungsschichten aus. Diese „utopischen Sozialisten“ waren der Ansicht, dass zur Veränderung der Situation der Arbeiterschaft Erziehung und Bildung nötig seien, da vor allem Unwissenheit ihre Ausbeutung ermögliche. Etienne Cabet, Robert Owen Etienne Cabet, Politiker und Publizist, forderte die Abschaffung des Privateigentums und die Einführung gerechterer Verteilungsmechanismen. Robert Owen, Leiter einer Baumwollspinnerei in Schottland, verkürzte die Arbeitszeit, erhöhte gleichzeitig die Löhne – und machte nach Einführung dieser Maßnahmen größere Gewinne als vorher. Klassenbewusstsein und erste Konflikte Die schlechten Arbeitsbedingungen in den frühen industriellen Großbetrieben bewirkten, dass sich in der Arbeiterschaft ein gewisses „Klassenbewusstsein“ entwickelte. Auch das gemeinsame Elend der Bewohnerinnen und Bewohner der Vorstädte verstärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl. In Zeiten extremer Not kam es zu Verzweiflungsakten der Arbeiterschaft, z. B. zur Zerstörung von Maschinen und Fabriken, die man als die Ursache des Elends ansah. Solidarisierung 1848 Einen ersten Anstoß zur Solidarisierung gab die Revolution von 1848. In Wien wurden Arbeiterversammlungen abgehalten. Der Schustergeselle Friedrich Sander gründete im Mai 1848 den „Ersten Allgemeinen Arbeiterverein“, der allerdings nicht lange bestand, weil die revolutionäre Nationalgarde die Arbeiter und Arbeiterinnen mit Gewalt auseinandertrieb. 1848 erschien das „Kommunistische Manifest“ von Karl Marx und Friedrich Engels. Der Marxismus blieb über Jahrzehnte eine von mehreren Ideologien, die um die Vorherrschaft innerhalb der Arbeiterbewegung kämpften ( S. 214 f.). Anarchismus und Lassalleanismus Der Anarchismus lehnte jede staatliche und politische Organisation prinzipiell ab. Er war deshalb auch grundsätzlich gegen den Kampf der Arbeiterschaft um die Staatsmacht und für den Sturz des Kapitalismus durch einen Generalstreik (ohne Revolution). Auch der Lassalleanismus wollte den Kapitalismus ohne Revolution bekämpfen. Der Politiker und Schriftsteller Ferdinand Lassalle setzt große Hoffnungen auf den Staat, der den Arbeitern Kredite zur Gründung von Produktionsgenossenschaften geben sollte. Diese Genossenschaften, so Lassalle, könnten billiger produzieren und die Kapitalisten auf diese Weise aus dem Markt drängen. 3.3 Sozialismus und Marxismus 278.1 Arbeiter der „Nadelburg“ (Nadelfabrik) bei Lichtenwörth (NÖ, vor 1898), vor einem der Zugangstore zur Nähnadelfabrik. Die Abbildung lässt bereits ein gewisses Klassenbewusstsein erahnen. MUSTER

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