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276 Das „lange“ 19. Jahrhundert Die liberale Ära in Österreich In Österreich vertraten die Liberalen in erster Linie das gehobene und reichere Wirtschaftsbürgertum. 1867, nach dem Ausgleich mit Ungarn und der Verabschiedung der maßgeblich von ihnen gestalteten Dezemberverfassung, wurden die Liberalen die herrschende Partei in der österreichischen Reichshälfte. Die Rechte der Staatsbürger, das Prinzip der Rechtsgleichheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Unverletzlichkeit des Eigentums und eine Reihe weiterer Grundrechte wurden in der Verfassung festgelegt ( S. 246 f.). Die frühen 1870er-Jahre, gekennzeichnet durch eine rege Bautätigkeit (Gründerzeit), stellten die Hochblüte des Liberalismus dar. Die nach der liberalen Wahlreform von 1873 durchgeführte Wahl, die erste, in der direkt für den Reichsrat gewählt wurde, brachte den „Deutschliberalen“ starke Stimmenverluste. Entscheidend waren die Rückschläge ihrer Wirtschaftspolitik, die im Wiener Börsenkrach von 1873 ihren Höhepunkt fanden. 1879 verloren die Liberalen die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Je mehr das Wahlrecht auf ärmere Schichten ausgeweitet wurde, umso weniger konnten sich die Libe- ralen gegen die christlichsoziale Bewegung und die sozialdemokratische Arbeiterbewegung durchsetzen. 276.1 Erwin Puchinger, Allegorie des allgemeinen Wahlrechtes, Österreichs illustrierte Zeitung, 2. Dezember 1908. 1907 wurde das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt. Die Büste Kaiser Franz Josephs I. in der Mitte spricht zu den Betrachterinnen und Betrachtern durch den Text am Sockel: Die Wahlrechtsreform, die durch die Beseitigung jeglichen Vorrechtes im Wahlrecht alle Staatsbürger mündig gesprochen und jedem den gleichen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten eingeräumt hat, ist gegründet auf das Vertrauen, das ICH in die STAATSTREUE MEINER VÖLKER setze. Aufgaben 1 Fassen Sie Lockes Position zu Freiheit und Gleichberechtigung des Menschen zusammen. Erläutern Sie auch, was nach Locke das Ziel einer menschlichen Gemeinschaft (eines Staates) ist. (HM) 2 Bildanalyse/-interpretation. Beschreiben Sie die drei Figuren auf Schroedters Darstellung der Grundrechte des Deutschen Volkes ( S. 275). Interpretieren Sie die Bedeutung der Waage, des Monsters, auf dem die mittlere Person steht, und der zerbrochenen Ketten. (HM) 3 Vergleichen Sie Schrödters Lithografie mit Puchingers Allegorie des allgemeinen Wahlrechts. Arbeiten Sie vor allem die Unterschiede in der Funktion der Frauendarstellungen heraus. Interpretieren Sie die Großschreibung von „ICH“ und „STAATSTREUE MEINER [VÖLKER]“. (HM) Der parteipolitische Liberalismus schloss sich in der Folge in Österreich immer stärker mit der deutschnationalen Bewegung zusammen. MUSTER

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