267 Das heutige Schlankheitsideal entwickelte sich gleichzeitig mit dem Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jhs., zunächst für Männer, im 19. Jh. in extremer Weise auch für Frauen. Der schlanke, jugendliche Körper, ein Phänomen des neu entstehenden Bürgertums, passte zu den bürgerlichen Werten Disziplin, Leistungsfähigkeit, Zielstrebigkeit, Sparsamkeit und Willensstärke ( S. 259 f.). Bürgerliche Frauen waren vom öffentlichen Arbeitsleben ausgeschlossen, sie errangen ihre gesellschaftliche Stellung durch Heirat, durch eine sogenannte „gute Partie“. Eine Voraussetzung dafür war ein attraktives Äußeres. Da Sport „anständigen“ Mädchen nicht erlaubt war, führten Schlankheitskuren und Einschnürung zur idealen Figur. Der geformte Frauenkörper In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. war das bürgerliche Schlankheitsideal allgemein verbindlich. Frauen sollten eine zarte, schlanke Silhouette mit Wespentaille haben, die bis auf 46 cm eingeschnürt wurde. Die „Sanduhrform“ galt als klassische Korsettform, sie sollte die Ober- und Hüftweite betonen. Dabei wurde der Bauch weggepresst und die Wirbelsäule ins Hohlkreuz gebogen. Die im Korsett eingenähten Metallstangen drückten die inneren Organe zusammen. Die Kritik am Mieder nahm im 19.Jh. zu. Mit dem Erstarken der Frauenbewegung und der vermehrten Erwerbstätigkeit von Frauen wurde das Einschnüren des Körpers immer mehr infrage gestellt. Doch erst in den 1920er-Jahren des 20. Jhs. setzten sich Modeschöpferinnen wie Coco Chanel für eine elegante Frauenmode ohne Korsett ein. 2.5 „Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau“ – traditionelle Frauenrollen Aufgaben 1 Recherchieren Sie, welche Folgen das Tragen eines Korsetts für die Frauen des 19. Jhs. hatte. Diskutieren Sie über die Attraktivität der auf diese Weise „geformten“ Frauenkörper. (HM) 2 Kleingruppenarbeit: Listen Sie Maßnahmen auf, die Frauen (Gruppe 1, 3, 5) und Männer (Gruppe 2, 4, 6) im 21. Jh. in westlichen Industrieländern ergreifen, um dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen. Arbeiten Sie dann im Plenum Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Frauen und Männern heraus und diskutieren Sie über mögliche Hintergründe. (PU) 3 Schreiben Sie einen Brief aus der Sicht einer Dame der Wiener Gesellschaft an ihre Freundin, in dem Sie sich zur zeitgenössischen Mode, zu Kaiserin Elisabeth ( S. 250) und zum Frauenwahlrecht äußern. (HM) 4 Rollenspiel: Eine Teilnehmerin des Wettbewerbs „Germany’s Next Topmodel“ und Isabella Reisser vergleichen ihre Schönheitsvorstellungen. (PH) 267.1 Anton Romako, Portrait Isabella Reisser (1885). Isabella Reisser war die Frau des Druckereidirektors der „Neuen Freien Presse“ in Wien. Die Gesellschaft im 19. Jahrhundert MUSTER
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