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260 Das „lange“ 19. Jahrhundert Nicht das 19. Jh. ist die bürgerliche Epoche schlechthin […], sondern die Gegenwartsgesellschaft ist das bürgerliche Zeitalter par excellence, sie ist das durchgesetzte bürgerliche Zeitalter, sie ist die bürgerliche Epoche der Weltgeschichte, stellt der Soziologe Joachim Fischer 2008 in einem Beitrag für die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ fest. Als Beweise für seine These führt er die Mittelschicht, das Einkaufszentrum, die Beliebtheit von „Wikipedia“, die Bedeutung der europäischen Stadt und die ungebrochene Beliebtheit von Ehe und Familie mit Frauen als zentralen Figuren an. Gibt es das Bildungsbürgertum noch? Gibt es das Bildungsbürgertum noch, das einst eine einflussreiche Gesellschaftsschicht darstellte? Die Forschung ist sich uneinig, klar scheint einzig: Soziale Zugehörigkeiten und Statussymbole sind äußerst flüchtig geworden, meint Beat Grossrieder in der NZZ vom 2. August 2010. Der klassische Bildungsbürger, so Grossrieder, legt großen Wert auf historisches und politisches Faktenwissen, abonniert eine Tages- und eine Wochenzeitung, sammelt Briefmarken oder Münzen, besitzt die neueste Ausgabe des Brockhaus-Lexikons, liest die gesammelten Werke von Goethe und Schiller und Thomas Mann, hat ein Abonnement für die Oper und bereist in den Ferien historische Stätten. Folgende Merkmale sind typisch für die bildungsnahe Schicht des frühen 21. Jhs: finanzielle Mittel im Elternhaus, soziale Netzwerke, Vorhandensein von Büchern und Medien, Zugang zum Internet, Schaffen einer passenden Lernumgebung für die Kinder, Zeit für Gespräche über Politik und Kultur. Die modernen Vertreter und Vertreterinnen der Bildungsschicht interessieren sich einmal für Spitzengastronomie, ein anderes Mal für experimentelle Architektur – es gibt keine zwingenden „Eckpfeiler“ des Lebensstils mehr. Aufgaben 1 Erklären Sie mithilfe von Nachschlagewerken folgende Begriffe: bürgerliche Tugenden, Spießbürger, bürgerliche Ehe, Bildungsbürger, bürgerliche Partei, Bürgerrecht, Bürgergesellschaft, Bürgerstolz, Staatsbürgerin. (HS) 2 Bildanalyse/-interpretation: Wie werden die Personen auf der Radierung ( S. 259) und dem Foto oben dargestellt (Größe, Bildausschnitt, Bildaufbau, Licht, Perspektive)? Gibt es Gegenstände auf dem Bild, deren Bedeutung unklar ist? Zu welchem Zweck wurde das Foto wohl gemacht? (HM) 3 Diskutieren Sie: Haben bürgerliche Ideale des 19. Jhs. (z. B. Leistung, Bildung, Besitzstreben) noch Gültigkeit? Wenn ja, für wen? Leben wir tatsächlich im „wahrhaft bürgerlichen Zeitalter“, wie Fischer und Grossrieder meinen? (HO) 2.2 Leben wir heute im bürgerlichen Zeitalter? 260.1 Familienfoto der Grundbesitzer- und Gastwirtsfamilie Prantl aus Jenbach in Tirol (1906). MUSTER

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