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259 259.1 Johannes Michael Voltz, Das Abendgebet, Radierung (1823). 2 Die Gesellschaft im 19. Jahrhundert Die Idee der bürgerlichen Gesellschaft wurde in der Aufklärung entwickelt ( S. 224 ff.). Die Entstehung einer durch Handwerk und Handel selbstbewussten gesellschaftlichen Gruppe von Stadtbewohnern, die sich vom Adel, der Geistlichkeit, von der bäuerlichen Landbevölkerung und von den städtischen Unterschichten abhob, geht jedoch bereits auf das Mittelalter zurück ( S. 68 ff.). Besitz und Bildung sind Kennzeichen des neuen Bürgertums Mit dem Untergang des Feudalismus und dem beginnenden Kapitalismus, dem Aufschwung des Handels und der Industrialisierung wuchs die Bedeutung der großen Kaufleute, Manufakturunternehmer, Bankiers und Fabrikanten. Dieses Großbürgertum oder Besitzbürgertum wurde wohlhabend und einflussreich. Die absolutistischen Staaten Europas benötigten „Staatsdiener“, oft akademisch gebildete Beamte, die durch eine staatlich gelenkte Schulbildung vermehrt „herangezogen“ werden sollten. Zur neu entstandenen Gruppe des Bildungsbürgertums zählten im 19. Jh. z. B. höhere Verwaltungsbeamte, Professoren, Richter, Ärzte, Pfarrer und Anwälte, die ihre Bildung an Gymnasien und Universitäten erhielten. Diese neue Schicht spielte eine weltgeschichtlich einzigartige Rolle durch ihre Ideen der Demokratie (Volkssouveränität), des Rechtsstaates, der Menschenrechte ( S. 229 f.) und des Liberalismus ( S. 275 f.). Während der Französischen Revolution von 1789 war das Bürgertum die ausschlaggebende Kraft des Dritten Standes ( S. 233 ff.). Das bürgerliche Jahrhundert Das Bürgertum stellte die wichtigste Basis des Liberalismus dar, der im 19. Jh. seine Blütezeit erlebte. Es repräsentierte auch den Kern der nationalen Bewegung ( S. 277 ff.), die gegen Ende des 19. Jhs. immer weiter nach rechts rückte und sich in der ersten Hälfte des 20. Jhs. einem radikalisierten Nationalismus zuwandte. Gemeinsam waren dieser neuen Schicht die Distanz zum Adel, die Hochschätzung von Leistung und Bildung, die Kritik an der absolutistischen Willkür, ein patriarchalisches Familienmodell, die Abgrenzung vom einfachen Volk und die städtische, „bürgerliche“ Kultur. Diese historischen Entwicklungslinien waren ein gesamteuropäisches Phänomen. Das Bürgertum machte jedoch im 19. Jh. nie mehr als 12 % der Bevölkerung aus. Männern bot die bürgerliche Welt die Möglichkeit, aus eigener Kraft, d. h. durch Leistung, gesellschaftlich aufzusteigen. Frauen wurden in das Bürgertum „hineingeboren“ oder konnten „einheiraten“. 2.1 Die bürgerlichen Eliten im 19. Jahrhundert Die Gesellschaft im 19. Jahrhundert MUSTER

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