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240 Ideen machen Politik: Aufklärung und Revolutionen Gegen die reaktionäre Politik der Habsburgermonarchie bildete sich eine kleine Widerstandsgruppe von revolutionären Demokraten. Ihr politischer Führer war Franz Hebenstreit, Offizier, Schriftsteller und einer der bedeutendsten Wiener Aufklärer. Hebenstreit sympathisierte mit dem revolutionären Frankreich, deshalb war sein Hauptanliegen, einen Kriegseintritt Österreichs gegen Frankreich zu verhindern. Widerstand – aber wie? Die Widerstandsgruppe verbreitete aufklärerische Schriften, Flugblätter, Aufrufe und aufrührerische Gedichte, um eine Revolutionsgefahr im eigenen Land zu inszenieren, die die Regierung zu Friedensverhandlungen zwingen sollte. Hebenstreit entwickelte auch ein Modell für einen Streitwagen, um die französischen Revolutionstruppen zu unterstützen. 1794 wurde er verhaftet, von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und 1795 hingerichtet. Die übrigen Angeklagten erhielten langjährige schwere Haftstrafen. 3.2 Der Fall Hebenstreit 240.1 Franz Hebenstreit, Medaillon (1747–1795). Aufgaben 1 Fragen Sie Erwachsene in Ihrem Umfeld, welche der folgenden Personen sie dem Namen nach kennen: Fürst Metternich, Josef Wenzel Radetzky, Kaiser Franz I. (II.), Franz Hebenstreit. Vergleichen Sie die Ergebnisse und ziehen Sie Schlüsse daraus auf die Erinnerungskultur (Umgang der Gesellschaft mit der Vergangenheit) in Österreich. (PH) 2 Der Schädel Hebenstreits ist im Wiener Kriminalmuseum ausgestellt. Eine Gruppe engagierter Fachleute aus Rechts- und Geschichtswissenschaft fordert seine ehrenvolle Beisetzung. Nehmen Sie Stellung dazu. (PU) 3 Im Juni 2010 wurde das Verfahren gegen Hebenstreit im Rahmen der „Wiener Vorlesungen“ in einer symbolischen Gerichtsverhandlung wieder aufgenommen. Informieren Sie sich unter www.wien.gv.at/rk (Hebenstreit rehabilitiert) und http://diepresse.com (Hebenstreit), wie Verteidigung und Anklage ihre Rechtsmeinungen darlegten. Spielen Sie die Verhandlung in einem Rollenspiel nach. (PH) Homo hominibus, Ausschnitt (1792) In dem lateinischen Lehrgedicht „Homo hominibus“ (Der Mensch unter den Menschen) prangert Hebenstreit die große Kluft zwischen Reich und Arm an. Der Mensch wird nicht als Sklave, und als Herr wird auch keiner geboren, sondern sie werden geboren als Kinder, die ganz gleich sind kraft ihrer verständigen Sinne. Gesetzesgeber! Staatenlenker! Habt ihr den Menschen erschaffen oder war es Gott? Wie unterschiede sich denn das Schwert von den Schwertern, der Krug von den Krügen? Sowie es das Eigentum gibt, gleich findet das Böse den zündenden Nährstoff. Zit. nach: Körner, Die Wiener Jakobiner, S. 53. Urteilsspruch am 3. Januar 1795 Nachdem der Herr Franz Hebenstreit von Streitenfeld, 46 Jahre alt, von Prag in Böhmen gebürtig, katholisch, ledig, Platzoberleutnant allhier, in der mit ihm abgeführten Inquisition [Untersuchung] gutwillig eingestanden und gerichtlich bestätiget hat, dass er eine Kriegsmaschine nach Art eines Streitkarrens erfunden und diese Idee sowohl zum Gebrauch der Polen als auch der Franzosen, und zwar für die letzteren durch eigens nach Paris abgegangene Personen verbreitet, dass er demokratische Schriften und aufrührerische, die Majestät des Landesfürsten antastende Lieder teils selbst verfasset […], solle ihme durch den Steckenknecht die Ehrenzeichen und Aufschläge abgerissen, der Degen zerbrochen und vor die Füße geworfen, sofort derselbe zur Richtstatt geführet und alldorten unter Anheftung einer Kette und einer seinen Namen und abscheuliches Verbrechen enthaltenden Tafel vom Leben zum Tod mit dem Strang hingerichtet, anbei sein gesamtes Vemögen konfisziert werden. Zit. nach: Körner, Die Wiener Jakobiner, S. 183. MUSTER

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