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235 Fünf Jahre nach dem Beginn der Revolution war die Bevölkerung Frankreichs enttäuscht und ernüchtert. Die Regierung, das sogenannte Direktorium, konnte sich nur mithilfe des Militärs an der Macht halten. 1799 gelang es dem jungen General Napoleon Bonaparte, der durch militärische Erfolge auf sich aufmerksam gemacht hatte, durch einen Staatsstreich die Macht an sich zu reißen. Napoleon erklärte sich zum „Ersten Konsul“. 1804 machte er sich mit Zustimmung von beinahe 100 % der von ihm ausgewählten Wahlmänner zum Kaiser. Insgesamt regierte er 15 Jahre mit diktatorischer Macht. Karl dem Großen ebenbürtig Napoleon war ein erfolgreicher Soldat und ein geschickter Politiker. Der Untergang des französischen Königtums durch die Revolution bot ihm Aufstiegschancen, die er nützte. Napoleon fühlte sich bürgerlicher oder kirchlicher Moral in keiner Weise verpflichtet. Er verstand es, sich als Held zu präsentieren, und wurde von weiten Teilen der Bevölkerung verehrt. So stellte etwa der österreichische Dichter Franz Grillparzer im mit „Napoleon“ betitelten Gedicht Napoleon nach dessen Tod (1821) als Übermenschen und Helden dar: Napoleon und die Demokratie Napoleon bediente sich (scheinbar) demokratischer Mittel, um seine Ziele zu verwirklichen. Er ließ z. B. Listen von Kandidaten wählen, aus denen seine Regierung dann die Mitglieder der Gesetzgebung und der Verwaltung ernannte. Nur loyale und den Absichten Napoleons dienliche Männer wurden ernannt und befördert. Die demokratische Fassade stellte das Volk zufrieden, die wirkliche Macht jedoch lag bei Napoleon. Konkordat und Code Civil Napoleons erstes Ziel war die Sicherung von Frieden und Ordnung in Frankreich. Mithilfe seiner Geheimpolizei schaltete er seine politischen Gegner aus. Die im Laufe der Revolution zunehmend entmachtete katholische Kirche gewann er durch das Konkordat (Übereinkunft mit der römischen Kirche) von 1801 mit Papst Pius VII. Napoleon verwirklichte den Plan der Revolutionäre, Recht und Verwaltung zu erneuern. Von ihm eingesetzte Kommissionen erarbeiteten den „Code Civil“, ein neues bürgerliches Gesetzbuch, das nicht nur in Frankreich, sondern auch in großen Teilen Europas und Amerikas zur Grundlage von Recht und Ordnung wurde. Auch moderne Techniken der Verwaltung eines Zentralstaates wurden entwickelt. Die historischen Provinzen Frankreichs waren bereits während der Revolution zerschlagen worden. 2.3 „Starkult“ um Napoleon 235.1 Jacques-Louis David, Napoleon überquert den Großen St. Bernhard-Pass, idealisierende Darstellung, 246 x 231 cm (um 1800), Kunsthistorisches Museum Wien. Und so tritt hin denn zu der Helden Zahl, Die annoch lebet auf der Nachwelt Zungen, Zum Alexander, der die Welt bezwungen, Zum Cäsar, der mit tadelnswertrer Wahl Am Rubicon der Herrschaft vorgedrungen, Zum – Stellt kein Held sich mehr zum Gleichnis ein? Und ist man streng, da wo die Wahl so klein? Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 144–146. Die Französische Revolution MUSTER

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