213 Wie überträgt sich das Prinzip der Arbeitsteilung auf andere Länder? Was in der Wirtschaftsführung eines Familienhaushalts klug ist, das kann auch im Ganzen einer großen Volkswirtschaft kaum Torheit sein. Wenn uns nämlich ein anderes Land mit einer Ware billiger versorgen kann, als wir sie selbst herzustellen im Stande sind, so ist es vorteilhafter, dass wir dem betreffenden Lande diese Ware gegen Produkte unseres eigenen Gewerbefleißes, in denen wir vor dem Auslande etwas voraus haben, abkaufen. Warum sollte man diesen Prozess befördern und nicht durch Protektionismus stören? Die natürlichen Produktionsvorteile, die ein Land hinsichtlich bestimmter Waren vor einem anderen voraus hat, sind mitunter so groß, dass es, wie alle Welt weiß, vergeblich sein würde, dagegen ankämpfen zu wollen. Durch Treibhäuser, Mistbeete und Rahmen lassen sich in Schottland sehr gute Trauben ziehen und auch ein recht guter Wein daraus gewinnen, nur würde dieser vielleicht dreißigmal so viel kosten als ein ebenso guter Wein, den man aus fremden Ländern bezöge. Würde nun ein Gesetz vernünftig sein, das die Einfuhr aller fremden Weine verbietet, nur um die Erzeugung schottischen Weiß- und Rotweins zu fördern? […] Für Ihr Konstrukt der „unsichtbaren Hand“ haben Sie Weltruhm erlangt. Was ist unter dieser Metapher zu verstehen? Jeder glaubt nur sein eigenes Interesse im Auge zu haben, tatsächlich aber erfährt so indirekt auch das Gesamtwohl der Volkswirtschaft die beste Förderung. Verfolgt er nämlich sein eigenes Interesse, so fördert er damit indirekt das Gesamtwohl viel nachhaltiger, als wenn die Verfolgung des Gesamtinteresses unmittelbar sein Ziel gewesen wäre. Und er wird in diesem Fall von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat. Ich habe nie viel Gutes von denen gesehen, die angeblich für das allgemeine Beste tätig waren. Genau deshalb werfen Ihnen Kritiker vor, Ihre Marktwirtschaft sei dem Egoismus verfallen. Jeder, der einem anderen irgendeinen Tausch anbietet, schlägt vor: Gib mir, was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst. Auf diese Weise erhalten wir nahezu alle guten Dienste, auf die wir angewiesen sind. Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil. […] Bitte ein Wort zur Freiheit. Das natürliche Bestreben jedes Menschen, seine Lage zu verbessern, ist, wenn es sich mit Freiheit und Sicherheit geltend machen darf, ein so mächtiges Prinzip, dass es nicht nur allein und ohne alle Hilfe die Gesellschaft zum Wohlstand und Reichtum führt, sondern auch hundert unverschämte Hindernisse überwindet, mit denen die Torheit menschlicher Gesetze es nur allzu oft zu hemmen suchte. Freilich ist die Wirkung solcher Hindernisse jederzeit mehr oder weniger die, die Freiheit dieses Prinzips zu beschränken oder seine Sicherheit zu vermindern. Warum hat die Freiheit in Ihrem Wirtschaftsmodell einen so hohen Stellenwert? Gibt man alle Systeme der Begünstigung und Beschränkung auf, so stellt sich ganz von selbst das einsichtige und einfache System der natürlichen Freiheit her. Solange der einzelne nicht die Gesetze verletzt, lässt man ihm völlige Freiheit, damit er das eigene Interesse auf seine Weise verfolgen kann und seinen Erwerbsfleiß und sein Kapital im Wettbewerb mit jedem anderen oder einem anderen Stand entwickeln oder einsetzen kann. […] Interview gekürzt. Vollständige Fassung: Wirtschaftsrat der CDU e. V.- Berlin, Herausgeber des TREND. Aufgaben 1 Begründen Sie, warum die wichtigsten Ökonomen des 17. und 18. Jhs. überwiegend aus Frankreich stammen. Beziehen Sie die damalige Staatsform in Ihre Überlegungen mit ein. (HO) 2 Nennen Sie drei wichtige Begriffe im Interview mit Adam Smith, definieren Sie diese Begriffe und erklären Sie sie einem Sitznachbarn, einer Sitznachbarin. (HS) 3 Stellen Sie fest, worin Adam Smith die Quelle des Reichtums eines Landes sieht und was seiner Meinung nach die Wirtschaft fördert. (HS) 4 Erläutern Sie Smiths Begriff der „unsichtbaren Hand“. (HM) 5 Arbeiten Sie heraus, wie Adam Smith den von Colbert befürworteten „Protektionismus“ sah. (HM) 6 Erklären Sie, warum das aufstrebende Bürgertum Smiths Ideen mit Begeisterung übernimmt ( S. 259 f.). (HM) Längsschnitt: Staat und Wirtschaft MUSTER
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