205 Frühneuzeitliche Herrscher hatten vermutlich keine konkreten Vorstellungen davon, wie viele Menschen auf ihrem Staatsgebiet lebten, welche Berufe sie hatten, wie viele Kinder, Frauen oder Männer es gab. Das Interesse an einer lückenlosen Erfassung der Arbeitskräfte, Steuerzahler und Rekruten auf dem eigenen Staatsgebiet wuchs jedoch. Erste Volkszählung 1753 Am 13. 10. 1753 ordnete Maria Theresia die erste Volkszählung in Österreich an. Gefragt wurde nach Alter, Geschlecht und Familienstand (ledig, verheiratet, verwitwet). In den folgenden Erhebungen ergänzte man Fragen nach Beruf, Religion, Krankheiten und Gebrechen oder nach dem Zugvieh. In sogenannte „Emsigkeitstabellen“ wurden außerdem die Zahl der Manufakturen und Fabriken und ihres Personals erhoben. 1785 erfolgte die erste Volkszählung, die das gesamte Staatsgebiet der Habsburgermonarchie erfasste. Sie ergab eine Bevölkerungszahl von 24 324 570 Menschen. Die Volkszählung 1776 3.4 Der Staat auf der Suche nach seinen Untertanen Sozialdisziplinierung Mit diesen Daten ausgestattet war es dem Staat weitaus besser möglich, die Kontrolle und Reglementierung seiner Untertanen voranzutreiben. Ein weiteres Feld der Sozialdisziplinierung war der Bildungsbereich. Die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht hatte auch das Ziel, arbeitsame und gehorsame Untertanen heranzuziehen. Disziplinierung durch öffentliche Auszeichnungen, aber auch Beschämungen und Züchtigungen mit der Rute spielten im Unterricht eine wichtige Rolle. Jede Schule hatte ein Ehren- und ein Schandbuch und es gab Ehren- und Schandbänke in den Klassen. Manufaktur (von lat. manu factum, „von Hand hergestellt“) = fabrikähnliche Anlagen, in denen Waren – noch überwiegend händisch – arbeitsteilig in mehreren Produktionsschritten hergestellt wurden Aufgaben 1 Fassen Sie zusammen, welche Informationen die Daten der Volkszählung 1776 ( Abb. 205.1) der Auftraggeberin Maria Theresia brachten. (HM) 2 Forschen Sie nach: Wie viele Menschen leben heute circa auf dem ehemaligen Gebiet der Habsburgermonarchie in der Steiermark, Kärnten und Tirol? Recherchieren Sie und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit der Bevölkerungszahl, die bei der ersten Volkszählung erhoben wurde. (HM) 3 Kleingruppenarbeit: Beschreiben Sie die Folgen der Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Unterscheiden Sie dabei Vermutungen und Aussagen, die Sie belegen können. (HO) 4 Diskutieren Sie zu zweit die möglichen Auswirkungen der statistischen Erfassung von personenbezogenen Daten durch den Staat. Erstellen Sie anschließend im Plenum eine gemeinsame Liste der wichtigsten positiven sowie negativen Folgen. (PU) 5 Datenschutzfachleute schlagen Alarm: Staatsbürgerinnen und Staatsbürger werden immer mehr zu „gläsernen Menschen“. Nennen Sie Daten, von denen Sie nicht möchten, dass sie für andere (z. B. für Behörden, Unternehmen, Internet-Nutzerinnen und -nutzer) zugänglich werden. Begründen Sie Ihre Position. (PU) Länder Christen und Christinnen Juden und Jüdinnen Summe männlich weiblich von den Männern Summe männlich weiblich unter 17 18–40 über Jahre Jahre 40 Jahre Steiermark 720 017 357 952 362 065 137 295 120 420 100 210 Krain 373 670 201 439 172 231 84 038 43 599 73 802 Kärnten 282 114 139 231 142 883 50 404 49 220 39 607 Görz-Gradiska 114 387 58 330 56 057 19 068 24 462 14 654 389 189 200 Tirol 558 421 272 097 286 324 Schlesien 247 046 124 464 122 582 55 674 41 297 27 493 Galizien 2 480 885 1 220 935 1 259 950 481 861 147 598 74 276 73 322 Vorlande 352 633 66 470 58 507 54 869 1 368 690 678 Summe 5 129 173 2 374 448 2 402 092 894 810 337 505 310 635 149 355 75 155 74 200 205.1 Gürtler, Die Volkszählungen Maria Theresias und Josefs II. 1753–1790, Innsbruck. Staatliche Konsolidierung im Habsburgerreich MUSTER
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