194 Ordnung und Zugriff: der moderne Staat Absolutismus ist eine Regierungsform, in der ein Monarch mit unbeschränkter und ungeteilter Gewalt über seine Untertanen herrscht. – So die Theorie. 2.1 Der absolutistische Staat: Ein Begriff wird untersucht 2 Die Entstehung des Staates 194.1 Hyacinthe Rigaud, Ludwig XIV. (um 1700). Das Porträt nahm bei Abwesenheit des Königs dessen Platz im Thronsaal von Versailles ein. Dem Gemälde den Rücken zuzukehren war ebenso verwerflich wie sich vom König selbst abzuwenden. Über die Souveränität des absoluten Herrschers (1576) Ausschnitt aus dem Werk „Les six livres de la République“ („Sechs Bücher über den Staat“) des französischen Staatstheoretikers Jean Bodin Da es auf Erden nächst Gott nichts Höheres gibt als die souveränen Fürsten und weil sie von Gott als seine Stellvertreter dazu berufen sind, den übrigen Menschen zu gebieten, muss man sich ihres Ranges bewusst sein, um ihrer Majestät in aller Ergebenheit die ihr gebührende Achtung und Ehrerbietung entgegenzubringen. Wer nämlich seinen souveränen Fürsten schmäht, der schmäht Gott, dessen Ebenbild auf Erden er ist. […] Daraus folgt, dass das Hauptmerkmal des souveränen Fürsten darin besteht, der Gesamtheit und den einzelnen das Gesetz vorschreiben zu können, und zwar so ist hinzuzufügen, ohne auf die Zustimmung eines Höheren, oder Gleichberechtigten oder gar Niedrigeren angewiesen zu sein. […] Diese Befugnis zu Erlass und Aufhebung von Gesetzen umfasst sämtliche andere Hoheitsrechte und Souveränitätsmerkmale. Genau genommen könnte man daher sagen, dass sie das einzige Souveränitätsmerkmal ist, weil sie eben alle anderen in sich einschließt als da sind das Recht über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Entscheidung in letzter Instanz über die Urteile aller Magistrate, das Recht zur Ernennung und Absetzung der höchsten Beamten, das Recht, den Untertanen Steuern und Abgaben aufzuerlegen oder sie davon zu befreien, das Recht von der Härte des Gesetzes durch Gnadenakte oder Dispense abzuweichen, die Befugnis über die Bezeichnung der Währung, Aufhebung und Senkung des Geldwertes und des Münzfußes zu bestimmen und das Recht, von Untertanen und ligischen Vasallen verlangen zu können, dass sie demjenigen, dem sie den Treueid zu leisten haben, uneingeschränkte Treue halten. Mayer-Tasch (Hrsg.), Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Buch 1, Kapitel 10, München, C. H. Beck 1981, S. 284–294. In der Praxis regierten die Herrscher jedoch nicht so „absolut“, wie es z. B. der Staatstheoretiker Jean Bodin in „Sechs Bücher über den Staat“ definiert. Die aktuelle wissenschaftliche Forschung schlägt daher vor, eher von einem „Fürstenstaat“ oder von der „Verdichtung von Herrschaft“ als von „Absolutismus“ zu sprechen. „Verdichtung von Herrschaft“ statt „Absolutismus“ Folgende Argumente sprechen für eine geänderte Begriffsverwendung: • Der Einfluss der Stände konnte nie ganz beseitigt, sondern nur beschränkt werden. • Es gab in politischen Fragen nicht nur Befehle von oben nach unten, sondern Zusammenarbeit zwischen „Zentrale“ und regionalen Eliten. • Die Herrschaftsausübung war an das Recht gebunden (z. B. Erbfolgeordnungen, Verträge), Untertanen setzten sich immer wieder gegen die absoluten Herrscher und Herrscherinnen durch. MUSTER
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