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177 Christine de Pizan (1365–1430) stellt in ihrem 1405 entstandenen Werk „Das Buch von der Stadt der Frauen“ („Le Livre de la Cité des Dames“) die Frage, warum viele Männer in ihren Schriften teuflische Scheußlichkeiten über Frauen und deren Lebensumstände verbreiten. In ihrer literari- schen Wunschstadt ist für Männer kein Platz. Die von ihr dargestellte Versammlung intelligenter und vorbildlicher Frauen sollte den Zeitgenossinnen Mut machen, sich in der von Männern beherrschten Welt zu behaupten. Christine de Pizan über den weiblichen Verstand Christine fragt Frau Vernunft, ob Gott den weiblichen Verstand auch für die Wissenschaft geschaffen habe. Frau Vernunft antwortet darauf: Tochter, du kannst schon anhand dessen, was ich zuvor dargelegt habe, erkennen, dass das genaue Gegenteil dieser ihrer Meinung [dass Frauen zu wenig intelligent für die Wissenschaften seien] zutrifft. Dies will ich dir ausführlicher darlegen und durch Beispiele beweisen. Noch einmal sage ich dir mit allem Nachdruck: Wenn es üblich wäre, die kleinen Mädchen eine Schule besuchen und sie im Anschluss daran, genau wie die Söhne, die Wissenschaften erlernen zu lassen, dann würden sie genauso gut lernen und die letzten Feinheiten aller Künste und Wissenschaften ebenso mühelos begreifen wie jene. […] Je stärker die Frauen den Männern an Körperkraft unterlegen, je schwächer und je weniger geschickt sie zu gewissen Dingen sind, desto größere >> Klugheit und desto mehr Scharfsinn entfalten sie überall dort, wo sie sich wirklich ins Zeug legen. Pizan, Das Buch von der Stadt der Frauen, zit. nach: Schöningh, Zeiten und Menschen, S. 131 f. Die Erfindung des Buchdrucks ermöglichte die rasche Verbreitung von Streitschriften und die Ausweitung des Kreises der Diskutierenden. Nicht alle Menschen, auch nicht alle Männer, betrachteten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Frauen in abwertender Weise. Jungfräuliche Nonnen wurden auch als „Bräute Christi“ angesehen und Minnesänger träumten von fernen, unberührbaren Damen. 1525 erschien Galeazzo Flavio Capras Schrift „Über die Erhabenheit und Würde der Frauen“ und 1663 verfasste Wilhelm Ignatius Schütz den Text „Ehren-Preiß Deß Hoch- löblichen Frauen-Zimmers“. 177.1 Der sog. „Meister der Cité des Dames“ illustrierte mehrere Abschriften des „Buchs von der Stadt der Frauen“ von Christine de Pizan (ca. 1365–1430). Links: Die drei Allegorien Raison (Vernunft), Droiture (Aufrichtigkeit) und Justice (Gerechtigkeit) verkünden Christine den Bau der Frauenstadt. Rechts: Raison hilft Christine bei der Errichtung der Stadt der Frauen. Aufgaben 1 Fassen Sie zusammen, wie sich Mädchen nach Paulus und de Pizan verhalten sollen. Vergleichen Sie die Frauenbilder hinter diesen Aussagen. (HO) 2 Beschreiben Sie die Tätigkeiten der Frauen in der Illustration zur „Stadt der Frauen“. Vergleichen Sie diese Darstellungen mit den Aussagen von Christine de Pizan. Unterstreichen Sie im Quellentext jene Sätze, die im Bild dargestellt werden. Welche Talente der Frauen zeigt die Buchillustration ebenfalls? (HM, HO) 3 Diskutieren Sie in Kleingruppen: Gibt es heute noch gesellschaftliche Bereiche, die Mädchen und Frauen verschlossen sind? Gibt es Berufe, die besser für Mädchen bzw. für Burschen geeignet sind? Begründen Sie Ihre Aussagen. (PU) Veränderungen in der frühen Neuzeit MUSTER

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