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173 Francesco Petrarca (1304–1374) wuchs teils in Italien, teils in Frankreich auf. Er begann ein Jurastudium und wurde 1326 zum Geistlichen geweiht. Petrarca lehnte die Studien der mittelalterlichen Universitäten, die von den kirchlichen Autoritäten und dem damaligen Wissen über Aristoteles geprägt waren, ab. Er hoffte auf die Entdeckung von unbekannten antiken Texten, deren unbefangene Interpretation zur Erschließung von neuem geistigem und kulturellem Reichtum verhelfen würde. Er war sicher, dass mit dem Anknüpfen an die Traditionen des antiken Römischen Reiches politisch und kulturell neue, bessere Zeiten anbrechen würden. Petrarca war damit der erste „Humanist“. Vorbilder aus Antike und Spätantike Der römische Politiker und Schriftsteller Cicero (1. Jh. v. Chr.), aber auch der spätantike Philosoph und Kirchenlehrer Augustinus (4./5. Jh. n. Chr.) gehörten zu seinen Vorbildern, Cicero besonders in seiner Sprache und seiner Dichtung, Augustinus in seiner Lebensführung. Berühmt wurde Petrarcas Besteigung des Mont Ventoux in der Provence. Er schildert dieses Erlebnis in einem Brief an Francesco Dionigi, in dem er Bezug auf Augustinus nimmt (s.o.). Petrarcas nachhaltiger Einfluss Für Petrarca war das Ziel die Bildung von Geist und Seele des Menschen. Das gelang seiner Meinung nach nur der antiken Weisheit, nicht aber den Naturwissenschaften. Damit bestimmte er die Richtung der humanistischen Bewegung für 150 Jahre. Erst ab dem 16. Jh. beeinflussten sich Humanismus und Naturwissenschaften gegenseitig. Petrarcas lateinische Werke waren die Grundlage dafür, dass die „studia humanitatis“ zum Anliegen einer wachsenden Zahl von Menschen in den Städten Italiens wurden. Kein bedeutender Künstler oder Gelehrter vermochte sich in Städten wie Florenz dem Einfluss des humanistischen Bildungsklimas zu entziehen. 2.4 Humanismus und Renaissance 173.1 Italienische Schule, Francesco Petrarca, Porträt (16. Jh.). Petrarca in einem Brief an den Frühhumanisten Francesco Dionigi Ich konnte zu meiner Rechten mit größter Klarheit die Berge um Lyon sehen, zu meiner Linken die Bucht von Marseilles […]. Unter unseren Augen floss die Rhone. Während ich so meine Gedanken einerseits in Richtung der irdischen Dinge, die vor mir lagen, lenkte und andererseits meine Seele erhob in höhere Sphären wie vorher schon meinen Körper, da fiel es mir ein, meine Ausgabe von Augustinus, […] die ich immer bei mir habe, zu öffnen. […] Zufällig schlug ich das zehnte Buch auf. Mein Bruder und Gott können bezeugen, dass, wo ich meine Augen zuerst hinrichtete, Folgendes geschrieben war: Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst. zit. nach: http://history.hanover.edu/texts/petrarch/pet17. html (Übersetzung: F. Melichar). Aufgaben 1 Analysieren Sie den Ausschnitt aus Petrarcas Brief. Was sagt die zitierte Stelle über den Stellenwert des Augustinus im Leben Petrarcas aus? (HM) Veränderungen in der frühen Neuzeit MUSTER

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