163 Die gewaltsame Unterdrückung und Ausbeutung der indigenen Bevölkerung Amerikas stieß in Europa nicht auf ungeteilte Zustimmung. 1550 berief Kaiser Karl V. eine Junta (Jury) in die spanische Stadt Valladolid, die die Recht1.6 Die Perspektive erweitern II: der Disput von Valladolid Lässt sich eine größere Verblendung denken? Bartolomé de Las Casas (1484–1566), Dominikanermönch und Bischof von Chiapas (Mexiko) […] Das eigentliche Ziel, das die göttliche Vorsehung mit der Entdeckung dieser Völker und Länder im Sinne hat […], ist kein anderes als die Bekehrung und das Heil der Seelen. […] Aus diesem und keinem anderen Grund hat der apostolische Stuhl in Vollmacht Christi die Könige von Kastilien und Leon als souveräne, alleinige Herrscher über diese ganze, weite Welt der Indianer eingesetzt. […] Folglich mussten die königlichen Räte sich darüber klar sein, dass der Rechtsanspruch der Könige von Kastilien auf eine allgemeine Oberherrschaft keine spezielle Art von Herrschaft über Indien begründete und nichts anderes war als ein Auftrag, das Evangelium zu predigen und die Eingeborenen zu bekehren. Nur deshalb konnte sich die römische Kirche […] mit der Sache befassen und ihnen die erwähnte umfassende und höchste Obergewalt verleihen, unbeschadet freilich der Rechte der angestammten Könige und Herren und ohne Beeinträchtigung der Freiheit dieser Völker. Auf der Grundlage dieses verhängnisvollen Irrtums, an dem sie selbst nicht ohne Schuld waren, errichteten sie die schrecklichste und verderblichste Tyrannei, die sich denken lässt, nämlich die, nur deshalb Krieg zu führen, weil die Eingeborenen sich nicht zu Gehorsam und Unterwerfung unter die Könige von Kastilien verstehen wollten, ohne andere Ursache oder anderen Rechtstitel. Lässt sich eine größere Verblendung denken, kann etwas sinnloser und ungerechter sein als das? Las Casas, zit. in: Dickmann, Geschichte in Quellen, Bd. 3, S. 68. … weil sie von Natur aus Sklaven und Barbaren sind Juan Ginés de Sepúlveda (1490–1573); spanischer Humanist und Historiker im Dienste Karls V. Vier Gründe hast Du [fiktiver Gesprächspartner] dargelegt, weshalb die Spanier mit diesen Barbaren gerechterweise Krieg beginnen können. Erstens weil sie [Indigene] von Natur aus Sklaven und Barbaren sind, unzivilisiert und unmenschlich, lehnen sie die Herrschaft klügerer, mächtigerer und vollkommenerer Menschen ab, eine Herrschaft, die sie zu ihren großen Vorteilen annehmen müssen. […] Als zweiten Grund hast Du angeführt, dass die frevelhaften Begierden und die unnatürlichen Schandtaten, Menschenfleisch zu verspeisen, beseitigt werden sollen, Verbrechen, die gegen die Natur ganz besonders verstoßen, und dass nicht – was Gottes Zorn vor allem reizt – Dämonen anstelle Gottes verehrt werden sollen, und zwar durch die Opferung von Menschen nach einem unnatürlichen Ritus. Als dritten Grund hast Du angeführt, was für mich großes Gewicht besitzt, um die Gerechtigkeit dieses Krieges darzutun, es sollten große Ungerechtigkeiten an zahlreichen unschuldigen Menschen, welche die Barbaren alljährlich opferten, verhindert werden. […] An vierter Stelle hast Du dargelegt, dass die christliche Religion mit Hilfe der Predigt des Evangeliums mit geeigneten Gründen verbreitet werden müsse, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet, und jetzt ist der Weg für die Prediger und Lehrer der Sitten und der Religion offen und sicher, so dass sie [Indigene] frei und ungestraft die christliche Religion annehmen können. Sepúlveda, zit. in: Strosetzki (Hg.), Der Griff nach der neuen Welt, S. 256. Aufgaben 1 Fassen Sie die Positionen von Bartolomé de Las Casas und Juan Ginés de Sepúlveda jeweils in eigenen Worten zusammen. (HM) mäßigkeit der Versklavung diskutieren sollte. Als wichtigste Vertreter der beiden Seiten traten der Dominikanermönch Bartolomé de Las Casas und der Priester Juan Ginés de Sepúlveda auf. 2 Forschen Sie nach: Hatte diese theoretische Auseinandersetzung konkrete politische Auswirkungen? (HM) Linktipp: http://de. wikipedia.org (Disput von Valladolid) 3 In der europäischen Geschichte beschäftigt man sich seit der Antike mit der Frage, ob es einen gerechten Krieg (bellum iustum) geben kann. Formulieren Sie eine Position dazu. (PU) Entdeckungsfahrten und Eroberungen MUSTER
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