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Wer hat davon profitiert? Viele, die sich in irgendeiner Weise in diesem Geschäft engagiert haben, haben gewonnen. Sie haben sozusagen „auf das richtige Pferd gesetzt“. Das betrifft die Staaten, die Herrscherhäuser, die Kirche und geht bis auf die persönliche Ebene, bis zum einfachen Seemann, der jetzt auch eine Chance hatte, ein Einkommen zu finden, das besser war als zu Hause vor Ort. Und auch viele Unbeteiligte haben zumindest eine Zeitlang indirekt von den insgesamt höheren Einkommen profitiert. Wer hat verloren? Es waren Menschen, die starben, vor allem in Amerika. Wir haben dort ein Massensterben durch Krankheiten, von dem mindestens 80 % der Bevölkerung betroffen waren. Welche Erkenntnisse können Ihrer Meinung nach Schüler und Schülerinnen gewinnen, wenn sie sich mit der Welt um 1500 beschäftigen? Den Globus als Ganzes zu sehen und den rein europäischen Blickwinkel, der gerade bei der Zeit der Entdeckungsgeschichte sehr stark ist, „wegzubekommen“. Die Idee „Wir wissen es im Grunde besser“ dominiert auch heute noch die gesamte Entwicklungsdebatte. Und daher muss man einmal klar machen, wie zwei- seitig das alles war, und dass die damaligen Entwicklungen nicht viel mit kultureller Überlegenheit zu tun hatten. Überhaupt geschieht in der Welt vieles ungeplant: Globalisierung z. B. war kein Ziel, sie ist passiert. Danke für das Interview. Welche Argumente sprechen dafür, die Globalisierung um 1500 beginnen zu lassen? Das Wichtigste ist, dass um 1500 die Globalisierung zum ersten Mal potenziell möglich wird. Sie kann also wirklich die ganze Welt umspannen, ohne dass es noch irgendein Außen mehr gäbe. Ein zweiter Punkt ist der Beginn von fortbestehenden (globalen) Abhängigkeiten, die sich bis heute durchziehen. Und was auch schon relativ global ist, sind die Kapitalströme, der sogenannte „Silberzyklus“ [Wertschwankungen des Silbers], dass die starke Zunahme des Exportes von amerikanischem Silber das Währungssystem in China stützte und in Europa Inflation auslöste. Welche Argumente sprechen dagegen? Was die Realisierung dieser potenziellen Vernetzung betrifft, diese erfolgt meist erst später. Es ist nicht sofort alles völlig global, sondern es ist möglich, global zu denken, global zu handeln, aber man tut es in vielen Fällen erst sehr viel später. Weiters gibt es keine Zeit der großen Beschleunigung um 1500. Das Tempo ändert sich nicht groß, aber die Distanzen ändern sich ganz entscheidend. Das ist die völlig neue Perspektive. Welche Hoffnungen, welche Ängste haben die beginnende weltweite Vernetzung und ihre Folgen im (außer-)europäischen Raum ausgelöst? Da gibt es dann zugleich die – durchaus berechtigte – Angst vor Feindseligkeiten und Ausbeutung, und zugleich oft die – auch immer wieder erfüllte – Hoffnung auf wirtschaftliche und politische Bündnisse oder auch auf Zugang zu neuen Technologien. Da ist der Klassiker z. B. Japan. In Amerika schießt die Muskete und die Indigenen sind entsetzt. Fluch der Götter. Erst mit der Zeit haben sie verstanden, dass das wenig mit Göttern zu tun hat. Dieselbe Situation in Japan wenig später: Auch hier schießt die Muskete. Die Japaner sind begeistert: Tolle Waffe, die bauen wir nach. Und nachdem sie sie haben, beschließen sie, eigentlich wollen wir das gar nicht und lassen es wieder. Das ist eine ganz interessante Geschichte. 1 Entdeckungsfahrten und Eroberungen Aufgaben 1 Erklären Sie, warum der „Silberzyklus“, d. h. das Schwanken des Wertes von Silber, ein Indiz für die beginnende Globalisierung ist. (HM) 2 Beschreiben Sie, welche Reaktionen der Erstkontakt mit den neuen Waffen bei den außereuropäischen Völkern auslöste. (HM) 3 Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste: Was erfahren Sie in Bezug auf die drei Oberbegriffe dieses Kapitels aus dem Interview? (HM) Die Globalisierung und die Welt um 1500 156 1500 – Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste Interview mit Dr. Andreas Exenberger, Wirtschafts- und Sozialhistoriker, Globalisierungsforscher an der Universität Innsbruck MUSTER

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