154 1500 – Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste Die Globalisierung hat in den letzten fünfzig Jahren den Lebensstandard der Massen insgesamt verbessert. Die meisten Menschen leben länger und gesünder als jemals zuvor […]. Der großen Mehrheit geht es materiell wesentlich besser als ihren Vorfahren. […] Profitiert haben jene Menschen, die sich rasch und erfolgreich angepasst haben. Verloren haben jene, die nicht reagieren wollten oder konnten. […] Es besteht kein Zweifel daran, dass auf der Welt zu große Unterschiede im Wachstum bestehen. Dafür aber die Globalisierung verantwortlich zu machen, heißt jedoch, Ursache und Wirkung durcheinanderzubringen. Die Globalisierung hat Armut und Not nicht verursacht. Sie hilft nachhaltiger als jede Alternative, neue Jobs zu schaffen. Richtig ist, dass sie das Tempo der Veränderungen beschleunigt hat. […] Zu den Gewinnern der Globalisierung gehören die Verbraucher. Sie freuen sich über billige Importe aus aller Welt: Textilien aus China, Fernsehgeräte aus Korea und Schuhe aus Lateinamerika. […] Die globale Arbeitsteilung nutzt die Vorteile der Spezialisierung und der Massenproduktion aus. Die weltweite Konkurrenz sorgt dafür, dass geringere Kosten in Form tieferer Preise an die Kunden weitergegeben werden. Die Folge: Wir müssen immer kürzer arbeiten, um uns Waren, Dienstleistungen, Urlaub und Freizeitangebote leisten zu können. Ist das nicht wunderbar? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 23, 10.06.2007. Als indische Staatsbürger leben wir tagtäglich mit einer Mischung aus Kastenmassakern und Atomtests, Überfällen auf Moscheen und Modeschauen, brennenden Kirchen und expandierenden Mobilfunknetzen, Zwangsarbeit und der digitalen Revolution, der Tötung weiblicher Neugeborener und dem Crash an der NASDAQ, mit Ehemännern, die ihre Frauen wegen der Mitgift anzünden, und mit unserem beachtlichen Vorrat an Kandidatinnen für den Posten der Miss World. […] Auf der Grünfläche hinter meinem Haus komme ich jeden Abend an Trupps ausgemergelter Arbeiter vorbei, die einen Graben für die Verlegung von Glasfaserkabeln ausheben, damit unsere digitale Revolution noch schneller vonstatten gehen kann. In der winterlichen Eiseskälte arbeiten sie bei Kerzenschein. Manchmal hat es den Anschein, als wäre das indische Volk zusammengetrieben und auf zwei LKW-Konvois geladen worden (einen langen Konvoi mit großen LKWs und einen kurzen mit sehr kleinen), die dann entschlossen in entgegengesetzte Richtungen losgefahren sind: Der kurze Konvoi ist auf dem Weg zu einem verlockenden Ziel, irgendwo auf dem Gipfel der Welt, der andere Konvoi taucht einfach in die Dunkelheit ein und verschwindet. Roy, Die Politik der Macht, S. 209–210. 154.1 Thomas Straubhaar war Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg. 154.2 Arundhati Roy, indische Schriftstellerin, Man-Booker-Preis-Gewinnerin. Erklären Sie in wenigen Worten folgende Begriffe: Kastenmassaker, expandierende Mobilfunknetze, Crash an der NASDAQ, LKW-Konvois. (HM) Ordnen Sie die angeführten Argumente in eine Tabelle „Pro und Contra Globalisierung“ ein. (PU) Formulieren Sie Ihren persönlichen Standpunkt in der Globalisierungsdebatte. Legen Sie dar, in welchen Bereichen Sie Globalisierung als Vorteil bzw. als Nachteil ansehen. Begründen Sie Ihre Position. (PU) Globalisierung – zwei Meinungen MUSTER
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