139 Erzbischof Hinkmar von Reims über die Ehe (9. Jh.) Dann besteht die wahre Bindung der rechtmäßigen Ehe, wenn sie zwischen Freien und Gleichen abgeschlossen, die Frau mit väterlicher Gutheißung dem Mann verbunden, rechtmäßig mit einer Mitgift ausgestattet, in öffentlicher Hochzeit beehrt und durch Geschlechtsvereinigung verbunden wird. Nach: Mitterauer, Historische Sozialkunde, S. 12. Aufgaben 1 Analysieren Sie drei Ehen der Königstochter Judith und arbeiten Sie die heraus, während denen Judith autonom handeln konnte. (HM) 2 Vergleichen Sie den Einfluss der Kirche mit dem Einfluss Ihres Vaters und bewerten Sie anschließend die Einflussmöglichkeiten. (HO) 3 Diskutieren Sie zu zweit über Beziehung zwischen dem gesellschaftlichen Stand und den Möglichkeiten einer Eheschließung. Beziehen Sie auch die Infokästen auf S. 137 und die Quellen auf S. 138 in Ihre Überlegungen mit ein. (HO) 4 Fassen Sie zusammen, welche Rolle die Religion im Ehe- und Scheidungsrecht der Griechen, Römer und des Mittelalters spielte. (HO) Inbesitznahme der weltlichen Ehe durch die Kirche (9.–13. Jh.) Brautraub und Ehe (9. Jh.) Judith, die Tochter Karls des Kahlen (823–877), wurde mit 13 Jahren mit dem 50-jährigen Ethelwolf (König von Essex) verheiratet und nach dessen Tod Witwe. Anschließend heiratete sie ihren erwachsenen Stiefsohn Ethelbald, obwohl nach Kirchenrecht die Ehe unter Verwandten nicht erlaubt war. Die Kirche duldete die Verbindung. Nach zwei Jahren starb auch der zweite Ehemann und nach der Rückkehr in die Heimat, sie unterstand wieder ihrem Vater, verliebte sie sich in Graf Balduin Eisenarm von Flandern und ließ sich 862 von ihm entführen, da sie ihn nicht heiraten durfte, er war ihrem Vater nicht angesehen genug. Außerdem beschlagnahmte ihr Vater Karl der Kahle den Grundbesitz von Balduin und die Kirche exkommunizierte die beiden. Graf Balduin drohte, sich mit den Feinden Karls zu verbünden, wenn er Judith nicht heiraten dürfe. Außerdem wandte er sich an den Papst um Hilfe. Dieser unterstützte das Liebespaar, die väterliche Einwilligung bei der Eheschließung war aus Sicht des Papstes in diesem Fall nicht mehr notwendig, die beiden heirateten. Nach: Mitterauer, Historische Sozialkunde, S. 11/12. Im Frühmittelalter wurde in adeligen Kreisen die Ehe als Verbindung von zwei Familien gesehen – wie zur Zeit der Römer. Viele Herrscher (auch Karl der Große) hatten mehrere Frauen, meist eine Ehefrau und mehrere Nebenfrauen, manchmal aber auch mehrere Ehefrauen nebeneinander. Ehen wurden ohne Priester geschlossen. In der Muntehe (rechtlich vollgültige Ehe nach römischem Vorbild mit Mitgift) hatte der Mann umfassende Rechte über die Frau, er konnte sie bestrafen, verstoßen oder sogar verkaufen. Die Friedlehe oder Minderehe (Eheform ohne Mitgift) wurde häufig zwischen Personen geschlossen, die nicht dem gleichen Stand angehörten, die Frau hatte den Rang einer Geliebten. Von einigen Forscherinnen und Forschern wird die Existenz dieser Eheform bezweifelt. Eine Auflösung der Ehe, entweder mit Zustimmung beider Partner oder durch Verstoßen der Ehefrau durch den Ehemann, war möglich. Ab dem 9. Jh. setzte sich die von der Kirche immer stärker propagierte Unauflöslichkeit der Ehe durch. Die Ehe wurde in der Kirche geschlossen und in den Rang eines Sakraments erhoben. Aufgrund ihrer Unauflöslichkeit war, anders als im Judentum und im Islam, kein Ehevertrag mehr notwendig. Am Ende des Hochmittelalters (13. Jh.) hatte sich das kirchliche Eherecht durchgesetzt. Die unauflösliche christliche Ehe galt ab nun jahrhundertelang als Norm. Ab dem IV. Laterankonzil (1215) wurden das Aufgebot und die Mitwirkung von Priestern verpflichtend. Beziehungen Adeliger zu Geliebten wurden im Hoch- und Spätmittelalter weiterhin toleriert, allerdings mit deutlicher Schlechterstellung der unehelichen Kinder. Ehe und Scheidung im Mittelalter T3 T4 5 Beurteilen Sie alle Bildquellen der S. 137–138 unter dem Gesichtspunkt der Frauendarstellungen. Diskutieren Sie über Ähnlichkeiten und Unterschiede. (PU) Längsschnitt: Recht am Beispiel von Ehe und Scheidung MUSTER
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