Während neue Medien wie Film und Internet erst in den letzten Jahrzehnten Eingang in den Geschichtsunterricht fanden, nehmen Geschichtskarten schon seit der Mitte des 19. Jhs. einen unverzichtbaren Platz ein. In jeder Schule finden sich neben den geografischen Karten zahlreiche Geschichtskarten, die historische Zustände und Abläufe darstellen und zeitlich einordnen. Auch in Geschichtebüchern sind Karten ein wichtiger Inhalt. Geschichtskarten helfen, historisches Geschehen räumlich zu verorten und komplexe historische Entwicklungen „auf einen Blick“ überschaubar zu machen. Sie sind immer in einen größeren Zusammenhang eingebettet und stehen in Beziehung zu einem Informationstext oder zu Quellentexten. Topografische Karten bilden geografische Objekte und Sachverhalte, also den Raum, ab. Geschichtskarten fügen eine weitere Dimension hinzu – die Zeit. Drei Schritte für das Arbeiten mit Geschichtskarten Schritt 1: Die Einzelelemente und den Inhalt der Karte erschließen • Wie lautet der Kartentitel? • Was ist der Karteninhalt? • Vergleich von Karte und Legende, Entschlüsselung der Zeichen und Symbole, Lesen aller Beschriftungen • Welche Herrschaftsräume, Grenzen, Bewegungen, Veränderungen sind dargestellt? Bei den zwei Karten handelt es sich um dynamische Karten, auf denen drei Jahrhunderte dargestellt werden. Bunte Pfeile symbolisieren Wanderungen verschiedener Stämme. Auf der ersten Karte werden Farben und Linien durch eine Legende (Erläuterung) erklärt, die zweite Karte fügt die Namen der wandernden Stämme bzw. Völker und geografische/politische Bezeichnungen direkt in die Karte ein. Topografische Bezeichnungen wie Städtenamen und Bezeichnungen für Meere fehlen. Beide Karten unterscheiden das Weströmische und Oströmische Reich durch unterschiedliche Farben. Die Siedlungsgebiete der Stämme bzw. Völker werden nur in der ersten Karte (schraffiert) dargestellt. Schritt 2: Historische Fragestellungen beantworten • Wird ein bestimmter historischer Augenblick oder werden Zeiträume dargestellt? • Welche Verbindungen und Beziehungen lassen sich erkennen? • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der räumlichen Darstellung und den Aktionen handelnder Menschen? In beiden Karten werden längere Zeiträume dargestellt. Die Wanderbewegungen von Hunnen, Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Angeln, Sachsen, Burgundern und Langobarden werden durch Pfeile symbolisiert, die den Pfeilen zugeordneten Jahreszahlen geben an, wann sich die jeweilige Gruppe an einem bestimmten Ort aufhielt. Beide Karten sind ohne weiterführende Erklärungen nur schwer verständlich. Dass die Hunnen nach Westen zogen, die Ostgoten unterwarfen und die Fluchtbewegung der Westgoten auslösten, lässt sich nicht erkennen. Schritt 3: Die Perspektivität von Geschichtskarten erkennen • Was zeigt die Karte nicht? • Welche Unterschiede zeigen sich bei einem Vergleich von Geschichtskarten zum gleichen Thema? • Welche Karte spricht Sie mehr an? Weshalb? Die Unterschiede in der Darstellung deuten darauf hin, dass z. B. der Ausgangspunkt der Wanderung der Goten in der Forschung unterschiedlich gesehen wird. Während in der zweiten Karte die Goten ihre Wanderung in Skandinavien beginnen, starten sie in der ersten Karte am Schwarzen Meer. Auch die Wege der Angeln und Sachsen werden unterschiedlich dargestellt. Die Karten geben nicht darüber Auskunft, welche Art von Wanderbewegungen stattfanden. Die Pfeile stellen z. B. geordnete Heerzüge, Raubzüge und Massenfluchtbewegungen in gleicher Weise dar. Die Überschneidungen der Pfeile lassen Begegnungen vermuten, die so jedoch nicht stattfanden. Geschichtskarten – historische Karten Die Begriffe „Geschichtskarte“ und „historische Karte“ werden oft synonym verwendet, bezeichnen aber Unterschiedliches. Historische Karten stammen aus vergangenen Zeiten und geben die damalige Sichtweise wieder, während Geschichtskarten geschichtliche Zusammenhänge rückblickend darstellen. 103 Arbeiten mit Geschichtskarten MUSTER
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