100 Migration und Expansion Man nimmt an, dass die Wanderung der Goten damit begann, dass verschiedene Gruppen ihre Siedlungsgebiete im heutigen Polen verließen und später vor den Hunnen über die Donaugrenze in das Gebiet des Imperium Romanum flohen. Dabei schlossen sich ihnen andere Gruppen an bzw. bildeten sich neue Gemeinschaften, die an gotische Traditionen anknüpften. Auf der Balkanhalbinsel bewegten sie sich in wohlorganisierten Märschen auf Befehl des römischen Kaisers oder in Rebellion gegen ihn. Die „Wanderungen“ der Gotenführer Alarich und Theoderich waren gut geplante Heerzüge, denen sich Kämpfer und Nichtkämpfer, Frauen und Kinder, Sklaven, Sklavinnen und Abenteurer anschlossen. Die Westgoten Kaiser Honorius wies den Goten 418 per Vertrag ein Herrschaftsgebiet in Südgallien (heute Südfrankreich) zu und sie besetzten weitere Gebiete. Die Franken vertrieben sie schließlich auf die Iberische Halbinsel. Mit dem Sieg der Araber über die Westgoten 711 endete das Westgotenreich in Spanien. Ab dem 4. Jh.n.Chr. bekannten sich die Goten zum Christentum. Berühmt ist die Bibelübersetzung von Bischof Wulfila. Der Westgotenkönig Alarich Der westgotische König Alarich (370–410) plünderte mit seinen Truppen Griechenland und verbündete sich mit dem weströmischen Kaiser Honorius gegen das Oströmische Reich. Zum geplanten Feldzug gegen Konstantinopel kam es jedoch nicht. Alarich forderte eine hohe Entschädigung, die Honorius ablehnte. Daraufhin belagerte er 410 Rom und ließ die Stadt drei Tage lang plündern. Die Einnahme der „Hauptstadt des Erdkreises“ löste in der damaligen Welt ein ungeheures Echo aus. Theoderich der Große, König der Ostgoten Theoderich, von 474 bis 526 König der Ostgoten, wurde in der römischen Provinz Pannonien geboren, als Geisel am byzantinischen Hof erzogen und nach dem Tod seines Vaters zum König gewählt. 493 besiegte er nach mehrjährigem Kampf Odoaker, jenen germanischen Offizier in römischen Diensten, der den letzten römischen Kaiser abgesetzt hatte. Theoderich schloss einen Vertrag mit Odoaker, brach diesen aber und ermordete Odoaker in Ravenna. Meineid, Mord und blutige Verfolgungen standen am Beginn seiner Herrschaft in Italien. Der oströmische Kaiser, der ihm den Auftrag gegeben hatte, Odoaker zu stürzen, erkannte erst vier Jahre später sein Königtum an. Wie Odoaker verzichtete Theoderich darauf, sich zum Kaiser erheben zu lassen. 100.1 Wanderzüge der Goten. Paris Bordeaux Toulouse Toledo Cartagena Worms Trier 454 bis ca. 170 ca. 150/200 378 395 489 489 493–553 410 410 418 418 415 507 457 413 480–81 ca. 200–375 ca. 375 u. 383–388 Adrianopel Dyrrhachium Konstantinopel Aquileia Marseille Arles Ravenna Rom Cosenza Sparta Athen Korinth Messina Karthago Barcelona Turin Mailand Novae 418–507 Atlantischer Ozean Ostsee Nordsee Schwarzes Meer M i t t e l m e e r Rhein Elbe Oder Weichsel Dnjepr Donau Korsika Sardinien Sizilien Skoten Skoten Briten Bretonen Dänen Slawen Ostgoten Westgoten Friesen Baltische Völker Goten Ostgoten Westgoten Wanderzüge der Goten 0 500 km Migration, Integration und Staatsgründung am Beispiel der Goten Aufgaben 1 Vergleichen Sie die Kleidung Stilichos und seiner Frau ( S. 99) mit der des Augustus auf S. 51. (HM) 2 Lokalisieren Sie auf der Karte alle Orte, die in der Zeittafel zur Völkerwanderung ( S. 146) genannt werden. (HM) 3 Beurteilen Sie, welche Auswirkungen es auf die Darstellung der Geschichte hat, wenn Quellen über die Völkerwanderung fast ausschließlich von den Römern stammen. (HO) MUSTER
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