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98 Migration und Expansion 1.1 Die „Völkerwanderung“ 98.1 „Reiter von Hornhausen“, germanischer Grabstein (7. Jh.). Aufgaben 1 Vergleichen Sie die Darstellung des „Reiters von Hornhausen“ (98.1) mit Ihnen bekannten Grabsteinen. Charakterisieren Sie anschließend die verschiedenen Formen von Erinnerung. (HO) 2 Erklären Sie, welche Schlüsse auf die Kampftechnik des 7. Jhs. aus der Darstellung auf dem Grabstein gezogen werden können. (HM) Der Vorstoß der Hunnen 375 n. Chr. wird traditionell als Beginn der „Völkerwanderung“ betrachtet. Warum größere und kleinere Gruppen von Barbaren ab dem 4. Jh. n. Chr. ihre ursprünglichen Siedlungsgebiete verließen, wissen wir heute nicht, denn die „Völkerwanderung“ kann fast nur aus römischer Sicht rekonstruiert werden. Wir sehen diese Ereignisse durch die „römische Brille“, da die wandernden Gruppen keine schriftlichen Quellen hinterließen und uns fast ausschließlich römische Quellen zur Verfügung stehen. Die Römer bezeichneten die „wandernden Völker“ als Barbaren und bezogen sich dabei auf Kelten, Germanen und Skythen. Die Skythen waren Steppenbewohner, zu ihnen zählten Sarmaten, Alanen und Goten. Die Germanen ( S. 99) – diese Sammelbezeichnung geht auf die Römer zurück – lebten in den mitteleuropäischen Wäldern. Aufbruch und Zusammenschluss kleinerer und größerer Gruppen Laut aktuellem Forschungsstand war die „Völkerwanderung“ keine germanische Massenauswanderung ins Imperium Romanum. Vielmehr zogen kleine Gruppen, z. B. drei, fünf oder zehn junge Männer, aus einem Dorf südwärts, in Richtung Römisches Reich. In Pannonien (Westungarn, Ostösterreich) etwa trafen sie auf eine kleine Gruppe Gleichgesinnter. Man lernte sich kennen, schloss sich zu einer größeren Gruppe zusammen und zog gemeinsam weiter. Zusammengehörigkeit – eine Frage der Herkunft? Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass sich auf diese Weise Gemeinschaften bildeten und neue Identitäten entstanden. Gruppenzugehörigkeit war also zu jener Zeit nicht vorrangig eine Frage der Herkunft und der Abstammung, die spätantiken Stammesvölker hatten noch kein „Nationalgefühl“. Wenn sich z. B. Angehörige einer Gruppe einer anderen anschlossen und es war günstig für sie, sich zu integrieren, dann geschah das, und sie wurden z. B. zu Goten oder Vandalen, obwohl sie ursprünglich Angehörige einer anderen Gemeinschaft gewesen waren. „Ehrgeizige Krieger gewannen an Einfluss; sie waren es auch, für die eine Migration ins Imperium besonders aussichtsreich war“, so Walter Pohl, Leiter der Forschungsstelle für Geschichte des Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Schließlich brachen größere, geschlossene Gruppen auf, um gemeinsam auf römischem Boden ihr Glück zu ver- suchen.“ (Laschober: Völkerwanderung, Sturm der Barbaren. www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/voelkerwanderung-sturmder-barbaren-a-561055-2.html, März 2017) Einwanderung ins Römische Reich Generationen aufstiegswilliger Barbaren bemühten sich, am Luxus und Prestige Roms teilhaben zu können. Das geschah einerseits durch Beutezüge, andererseits aber auch durch den Eintritt in das römische Heer. Barbaren in der römischen Armee Da Rom zur Sicherung der Grenzen des riesigen Reiches zahllose Soldaten benötigte, gab man vertrauenswürdigen Barbaren die Gelegenheit, in der römischen Armee zu dienen und Karriere zu machen. Der Soldatenbedarf Roms löste eine ständige, geregelte Einwanderung von Germanen ins Imperium aus. Barbar = ursprünglich wertfreie Bezeichnung der Griechen für Fremde, die nicht Griechisch sprachen Die Römer verwendeten die Bezeichnung zuerst für die Völker jenseits der Reichsgrenzen. Später wurde die Bedeutung ausgeweitet. Der Schriftsteller Tacitus stellte Barbaren als unverdorbene Naturvölker dar, in der Spätantike wurden auch die vielen nichtrömischen Soldaten im Heer als Barbaren bezeichnet. 1 Bleiben oder gehen? Spätantike und mittelalterliche Lebensräume MUSTER

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